Frankfurt. Am Donnerstag wird die Europäische Zentralbank den Leitzins wohl weiter Richtung Nulllinie verschieben. Fragen und Antworten zum Zweck und den Folgen der geplanten Zinssenkung.

. Die Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag dürfte zu einer der wichtigsten der letzten Jahre werden. Die Dame – das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger – und die 17 Herren werden die Geldpolitik weiter lockern, mit zum Teil bislang nie praktizierten Schritten. Dass es keine Veränderungen geben wird, ist höchst unwahrscheinlich. Dazu haben Präsident Mario Draghi und seine Kollegen in den vergangenen Wochen die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen so deutlich betont wie selten in der Vergangenheit. Fragen und Antworten zur bevorstehenden Zinssenkung.

Warum halten die Notenbanker eine weitere Lockerung der Geldpolitik für eine Notwendigkeit?

Zwar läuft die Konjunktur in Deutschland nicht schlecht. Dagegen stockt es weiter in den südeuropäischen Krisenländern und mittlerweile auch in Frankreich. Dort weigern sich die Banken nach wie vor Kredite an Unternehmen und Verbraucher zu vergeben. Im April sank die Kreditvergabe in der Eurozone nach Angaben der EZB erneut um 1,8 Prozent, nach einem Minus von 2,2 Prozent im März.

Auch die Inflation ist weiter niedrig. Warum ist das ein Problem?

Im Mai dürfte sie in der Eurozone bei nur 0,6 Prozent gelegen haben. Die EZB wünscht sich eine Rate von knapp zwei Prozent. Damit sei Preisstabilität gewährleistet. Liegt sie deutlich darunter, wachsen Deflationssorgen: In Erwartung anhaltend niedriger oder weiter sinkender Preise halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück, Verbraucher mit Käufen etwa von Haushaltsgeräten oder einem Auto. Das bremst die Konjunktur und treibt die Arbeitslosigkeit.

Was will die EZB gegen die Kreditverdrossenheit tun?

Erster Schritt ist, sagt Michael Schubert von der Commerzbank, die weitere Senkung des Leitzinses von aktuell 0,25 auf nur 0,10 Prozent. Damit können sich die Banken noch günstiger als bisher unbegrenzt bei der EZB- und den Euro-Notenbank Geld beschaffen.

Das ist das traditionelle Instrumentarium der EZB. Welche auch außergewöhnlichen Maßnahmen plant sie noch?

Zum einen will sie als erste große Zentralbank den Banken nicht nur keine Zinsen zahlen (wie bisher), wenn sie Millionenbeträge bei ihr parken. Die Institute sollen dafür zahlen – einen Zins von möglicherweise 0,15 Prozent. Dieser negative Zins oder auch Strafzins soll die Banken veranlassen, das Geld als Kredit an Unternehmen und Verbraucher zu vergeben.

Wirkt dieser Schritt?

Das weiß niemand. In Dänemark hat man es vor Jahren versucht, mit gemischten Erfahrungen. Die Banken erhöhten einfach die Kreditzinsen und verteuerten so Darlehen an Unternehmen. Die Notenbank gab die negativen Einlagezinsen wieder auf.

Was plant die EZB noch?

Offenbar will sie zum ersten Mal langfristige Kredite an Banken mit klaren Auflagen vergeben, so genannte konditionierte Tender. In erster Linie sollen die Kredite an Banken in den Krisenländern gehen. Das Geld fließt nur dann, wenn es auch in Form von Krediten vor allem an kleine und mittelständische Firmen weitergereicht wird. Angeblich könnte das Programm ein Volumen von bis zu 40 Milliarden Euro haben. Bisher reicht die EZB Kredite an Banken ohne Auflagen aus. Statt Kredite zu vergeben, kauften die dafür häufig Staatsanleihen auch der Krisenländer. Das half dort den Regierungen, nicht aber der Konjunktur.

Was bedeutet eine weitere geldpolitische Lockerung für Sparer und Verbraucher?

Einerseits werden die ohnehin schon mickrigen Zinsen auf Sparanlagen und Bundesanleihen weiter sinken. Auch die Probleme für Lebensversicherungen und Pensionskassen werden noch größer. Die Aussichten für Aktien dagegen bleiben rosig. Allerdings kaufen die Deutschen kaum Aktien, selbst solide Standardpapiere werden nicht genommen. Andererseits profitieren Verbraucher: Kredite bleiben günstig, auch Darlehen für die eigenen vier Wände. Der Zins für Zehn-Jahres-Hypotheken liegt aktuell im Schnitt bei etwa 2,25 Prozent, mitunter werden sogar weniger als zwei Prozent verlangt.