Berlin. .
Sigmar Gabriel (SPD) warnte eindringlich, aber vergeblich: Änderungen an seinem Gesetzentwurf würden die Ziele der Ökostrom-Reform gefährden und zu Mehrbelastungen für alle Stromkunden führen, ließ der erkrankte Wirtschaftsminister seine Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD) gestern im Bundesrat klarstellen. Sein Entwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei ein Kompromiss: „Weiter können wir nicht gehen.“
Doch die Bundesländer zeigten sich unbeeindruckt, auch die SPD-geführten Länder akzeptierten die kompromisslose Haltung Gabriels nicht. Im Bundesrat beschlossen sie zwei Dutzend Änderungsforderungen für die Ökostrom-Reform. Zum Teil geht es nur um technische Details, zum Teil um viel Geld: Die Länder wollen die Stichtagsregelung kippen, mit der die Förderung vor allem für Windräder an Land gekürzt wird, wenn die Genehmigung nach dem 23. Januar 2014 erteilt wurde. Ein Stichtag zum 1. Januar 2015 soll nun Vertrauensschutz für Investoren gewähren. Zugleich fordern die Länder, Eigenstromproduzenten finanziell weniger zu belasten. Den Plan, einen größeren Mindestabstand zwischen Wohngebieten und Windkraftanlagen zu ermöglichen, verwarf die Länderkammer ganz.
NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) jubelte, die Länder hätten wichtige Impulse für die Reform geliefert. Doch richtig zufrieden können die Landesregierungen nicht sein. Rund 130 Änderungsanträge hatten sie gestern vorgelegt, nur relativ wenige fanden eine Mehrheit – der Großteil der Forderungen versandete, zu unterschiedlich sind bei der Energiepolitik die Interessen der einzelnen Länder. Allianzen zu schmieden wurde zum Kraftakt, erst in der Nacht zum Freitag wurde eine gemeinsame Marschroute wenigstens bei einigen Punkten erreicht. „Das ist lebendiger Föderalismus“, amüsierte sich ein Ministerpräsident, „es kommt zu überraschenden Bündnissen.“ Jetzt zeigt sich: Für die Große Koalition ist die rot-rot-grün dominierte Länderkammer ein unberechenbarer Gegenspieler. Vor allem SPD-Ministerpräsidenten verfolgen selbstbewusst und unter dem Druck ihrer meist grünen Koalitionspartner einen flexiblen Kurs, der offensiv ihre speziellen Länderinteressen ins Zentrum stellt und sich scharf von Schwarz-Rot in Berlin abgrenzt. Das macht die Abstimmung untereinander kompliziert und schwer kalkulierbar.
Auch für die Koalition in Berlin ist es eine Herausforderung. Minister Gabriel will den Länderforderungen nicht nachgeben und eine Kraftprobe riskieren. Folgt ihm die Koalition im Bundestag, müsste der Bundesrat Anfang Juli entscheiden, ob er die Reform wirklich aufhalten will. Wohl kaum. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) versicherte schon: „Wir wollen alle, dass das Gesetz zum 1. August in Kraft tritt.“