Frankfurt.

Eine lachende Sonne warb für „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen“, doch um die 35-Stunden-Woche entbrannte 1984 einer der härtesten Tarifkonflikte in der Geschichte der Bundesrepublik. Unversöhnlich waren IG Metall und Arbeitgeber in den auch politisch aufgeheizten Arbeitskampf um kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich gezogen. Nur zwei Jahre zuvor hatte Helmut Kohl mit Hilfe der FDP die Kanzlerschaft übernommen und zugleich die geistig-moralische Wende ausgerufen. Die Einstellung der streikenden Metaller bewertete der Kanzler damals als „absurd, töricht und dumm“.

Sieben Wochen dauerte der Konflikt von den ersten Streiks am 14. Mai 1984 in Nordwürttemberg/Nordbaden über eine Massendemonstration mit 250 000 Teilnehmern am 28. Mai in Bonn bis zur Schlichtung durch den SPD-Politiker und früheren Verteidigungsminister Georg Leber am 26. Juni. Als zweites Streikgebiet kam eine Woche nach dem Südwesten Hessen dazu, wo ab dem 21. Mai unter anderem bei Opel in Rüsselsheim die Bänder stillstanden. Die Arbeitgeber antworteten mit Aussperrungen zunächst in den Streikgebieten, schnell aber auch bundesweit, so dass bald Hunderttausende Metaller vor den Werkstoren standen.

Bis heute ist zwischen den Parteien die Frage umstritten, ob die Aussperrungen tatsächlich durch streikbedingte Lieferausfälle notwendig waren oder von den Arbeitgebern als gezieltes Kampfmittel eingesetzt wurden. Tatsächlich hatte die IG Metall mit der sogenannten Minimax-Strategie zentrale Zulieferer ausgesucht, um die Schlüsselbranche Auto lahmzulegen. Dass nun bundesweit Betriebe auch außerhalb der eigentlichen Streikgebiete geschlossen blieben, bezeichnete die Gewerkschaft als „kalte Aussperrung“. Diese erhielt eine besondere strategische Bedeutung, weil der damalige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, die Auszahlung von Kurzarbeitergeld an die Ausgesperrten untersagte und die IG Metall damit finanziell unter Druck setzte. Sie hätte Streikgeld für so viele Mitglieder nie bezahlen können. Der „Franke-Erlass“ wurde von den Sozialgerichten kassiert, gab aber später Anlass für die heftig umstrittene Änderung des Paragrafen 116 im Arbeitsförderungsgesetz durch die CDU/FDP-Koalition.

Beendet wurde der Konflikt am 26. Juni 1984 durch den Schlichterspruch Georg Lebers. Der Vorschlag verknüpfte die auf 38,5 Stunden verkürzte Wochenarbeitszeit mit zahlreichen Flexibilisierungsmöglichkeiten. Die Arbeitgeber konnten statt des bislang geübten Gleichschritts die Belegschaften oder Teile davon dann einsetzen, wenn sie tatsächlich gebraucht wurden.

Die 35-Stunden-Woche wurde für die Metaller im Westen erst 1995 tarifpolitische Realität, im Osten ist es bei 38 Stunden geblieben.