Washington. .

Etablierte Kopfhörer-Hersteller rümpften 2008 die Nase, als die ersten weißen Plastikriesenohrenwärmer mit dem Signet „Beats by Dr. Dre“ rauskamen. Dass Leute für einen wummernden Mordsbass 300 bis 450 Dollar auf den Tisch legen (oder Euro), der ihnen das Kleinhirn zurechtschüttelt, sei doch gewiss nur was für eine Nischen-Klientel, hieß es.

Falsch gedacht. Apple will laut Medienberichten 3,2 Milliarden Dollar für „Beats“ ausgeben. Die Übernahme könne kommende Woche verkündet werden, schrieb die „Financial Times“. Das wäre die mit Abstand größte Übernahme der Firmengeschichte. „Beats“, mitgegründet vom Hip-Hop-Star Dr. Dre, ist für seine Kopfhörer mit dem markanten roten „b“ bekannt und erzielt mittlerweile beständig Umsätze im dreistelligen Millionenbereich. Unlängst startete „Beats“ auch einen Streaming-Dienst für Musik.

„Beats Music“ macht das Unternehmen für Apple besonders interessant, dort werden für eine Monatsgebühr von 9,99 Dollar rund 20 Millionen Songs angeboten. Apple würde sich damit eine Eintrittskarte ins stark wachsende Geschäft mit Abo-Diensten kaufen. Apple hatte mit dem iPod und seiner Plattform iTunes die Musik-Downloads zu einem Riesen-Geschäft gemacht und bisher auf einen Abo-Dienst verzichtet, der die Songs zum Abruf, aber nicht zum Kauf bereitstellt.

Doch auch der Umsatz mit Kopf- und Ohrhörern macht in den USA inzwischen 2,5 Milliarden Dollar im Jahr aus, was zum überwiegenden Teil an den „Beats“-Produkten liegt. Dr. Dre, unter dem bürgerlichen Namen André Romelle Young in den 80er-Jahren als Drogendealer gestartet, hat seine wulstigen Endbeschaller mit dem kleinen „b“ auf den Muscheln zum coolsten Trendprodukt in einem der wachstumsstärksten Segmente der Elektronikindustrie gemacht.

Der Vater des Gangsta-Hip-Hop bediente sich dabei einer Marketing-Strategie, die schwer nachzuahmen ist. Vor den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking lieferte er dem befreundeten US-Basketballstar LeBron James einen Prototyp. Wenig später lief die komplette Nationalmannschaft mit den Dingern rum. Der Hype sorgte für den Durchbruch.

Zahlreiche Topsportler, man achte mal bei der Fußball-WM in Brasilien auf den Moment, wenn der Mannschaftsbus am Stadion hält und die Kicker in die Kabine strömen, schwören auf Dre‘s Geräte. „Klarer Sound, kaum Störgeräusche. Und sie vermitteln einem das Gefühl vollständiger Abschottung“, lautet ein verbreitetes Urteil. Dass Tests in Fachmagazinen den „b“-Geräten regelmäßig eher durchschnittliche bis schlechte Werte bescheinigen, tut dem Unternehmen keinen Abbruch. Dre, sagt ein Analyst des Magazins TechCrunch, verkauft seine Kopfhörer „nicht wirklich als technische Geräte – sondern als Lifestyle-Produkt“. Und das mit gewaltigen Profit-Margen. Was in Amerika im Laden bis zu 450 Dollar kostet, ist nach Einschätzung von Branchenkennern in der Herstellung für 20 Dollar zu haben.

Der erste Hip-Hop-Milliardär

Apple äußerte sich nicht zu den Berichten, Dr. Dre zwar nur indirekt, aber dennoch vielsagend. Auf Facebook erklärte er sich zum ersten Milliardär im Hip-Hop-Geschäft. Das kurze Video verschwand allerdings wenige Stunden nach dem Hochladen wieder.

Dass Apple seine bisher größte Akquise bei einem Hip-Hop-Oligarchen tätigt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Dr. Dre empfindet bis heute tiefe Bewunderung für Apple-Gründer Steve Jobs. Aber dass er den iPod 2001 mit einem weißen Billig-Stöpsel auf den Markt warf, konnte der Produzent von Snoop Dogg und Eminem nie verstehen. Nun könnten ausgerechnet seine eher wie Saugglocken aussehenden Kopfhörer künftig bei Apple den Ton angeben.