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Der Staat nimmt genug Steuern ein, verteilt sie aber ungerecht, findet Reiner Holznagel, Chef des Steuerzahlerbundes. Im Gespräch mit der NRZ sagt er, warum.

Die Bundesregierung steuert erstmals seit Jahrzehnten auf einen Haushalt ohne neue Schulden zu. Ist Ihnen zum Feiern zumute?

Holznagel: Nein. In diesem Jahr kommen die guten Haushaltsdaten durch Tricksereien zustande, indem die Sozialkassen geplündert werden. Einen Bundeshaushalt ohne Schulden hätte man bei unseren gigantischen Steuereinnahmen viel früher und seriöser erreichen müssen.

Wird ab 2020 alles besser, wenn die verfassungsrechtliche Schuldenbremse auch den Ländern neue Kredite weitgehend untersagt?

Viele Länder erfüllen die Vorgabe der Schuldenbremse schon heute, aber Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bleiben Problemfälle. Gerade in NRW sehe ich keinen Ansatz, wie die Landesregierung in weniger als sechs Jahren einen Haushalt ohne neue Kredite aufstellen will.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans verweist auf die Strukturprobleme der Kommunen im Ruhrgebiet, die hohen Umverteilungslasten im Miteinander der Länder und die Milliardenkosten beim Aufbau Ost. Zu Unrecht?

Ich stimme mit Walter-Borjans zumindest überein, dass wir eine grundlegende Reform des Länderfinanzausgleichs benötigen. Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Verteilungsproblem. Es ist dringend notwendig, ab 2019 den Länderfinanzausgleich und die Verteilung der Umsatzsteuer als größte Einnahmequelle so zu regeln, dass es an der richtigen Stelle in Deutschland ankommt.

Also auch in den klammen Kommunen des Ruhrgebiets?

Es kann nicht richtig sein, dass der Bund oft Entscheidungen trifft, die in den Kommunen umgesetzt und bezahlt werden müssen. Der umgekehrte Weg wäre viel sinnvoller. In der Schweiz zum Beispiel ist viel mehr Finanzhoheit auf kommunaler Ebene angesiedelt. Dort haben die Bürger das Gefühl, dass sorgsamer mit ihrem Geld umgegangen wird. Unser Verteilungssystem treibt so seltsame Blüten, dass ein Bürgermeister in Mecklenburg-Vorpommern eine wunderschöne historische Kopfsteinpflaster-Gasse mit Asphalt überziehen lässt, nur weil sonst Bundeszuschüsse für Infrastrukturmaßnahmen verloren gehen könnten.

Warum fordern Sie eine größere Finanzhoheit der Kommunen, sehen aber die wirtschaftlichen Aktivitäten von Städten kritisch?

Der Staat ist selten der bessere Unternehmer. Wir beobachten mit Sorge, dass immer mehr Städte marktwirtschaftliche Prinzipien aushebeln wollen. Die Anzahl von Kommunalunternehmen, die oft unrentabel arbeiten und mit öffentlichem Geld künstlich am Leben gehalten werden, erhöhte sich in den vergangenen zehn Jahren um fast ein Viertel. Unterstützt von finanzierenden Banken bilden diese Kommunalunternehmen ein dynamisches Duo zum Nachteil der Steuerzahler.

Ohne die Einnahmen von Stadtwerken könnten die wenigsten Städte die Eintrittspreise im Schwimmbad oder das Busticket bezahlbar halten.

Ich sehe solche städtischen Holdingstrukturen kritisch. Der Kunde der Stadtwerke ist nicht dazu da, den Öffentlichen Nahverkehr quer zu subventionieren.