Essen.. RWE -Chef Peter Terium hat den Aktionären nach dem größten Verlust des Essener Energiekonzerns seit 1949 Hoffnung auf ein Ende der Talfahrt gemacht. „Unsere Ergebnisse werden sich nach heutigem Kenntnisstand weitgehend stabilisieren“, sagte Terium bei der Hauptversammlung in der Essener Grugahalle.
Die Grugahalle in Essen gleicht einer Festung. Polizisten in Kampfanzügen, unzählige Security-Mitarbeiter und Hunde mit Maulkörben sichern die Hauptversammlung des kriselnden Energiekonzerns RWE. Demonstranten blockieren die Eingänge, so dass die Veranstaltung erst mit Verspätung beginnen kann.
Einen lautstarken Vorgeschmack auf die Stimmung der Aktionäre, die für 2013 einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro und die Halbierung ihrer Dividende auf einen Euro schlucken müssen, gibt es auf dem Vorplatz der Halle: RWE-Mitarbeiter und die Verdi-Jugend protestieren gegen den Abbau von 4000 Stellen. Die Umweltorganisation Greenpeace mahnt den Energieriesen mit Transparenten, auf Kohlekraftwerke zu verzichten.
RWE-Kommunen verlieren 2,5 Milliarden Euro
RWE-Chef Peter Terium steht offenbar eine ungemütliche Hauptversammlung bevor. Aktionärsschützer und Analysten haben schon im Vorfeld deutlich gemacht, wie sie die Lage den Konzerns bewerten. RWE fehle schlichtweg ein Konzept für die Zukunft, sagen sie unisono.
Wenig amüsiert sind auch die an RWE beteiligten Kommunen wie die Städte Essen, Mülheim, Dortmund und andere. Sie müssen den Wert ihrer Papiere insgesamt um 2,5 Milliarden nach unten korrigieren, weil die RWE-Aktie in den letzten Jahren in den Keller gerauscht ist.
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Doch die große Abrechnung auf der RWE-Hauptversammlung bleibt aus. Terium gelingt es, die Stimmung zu drehen. Er gibt sich als Entertainer, der live per Tablet die Temperatur seiner Heizung zu Hause reguliert und damit zeigt, wo die Zukunftsgeschäftsfelder von RWE liegen.
Terium gibt sich aber auch als knallharter Sanierer, der kein Blatt vor den Mund nimmt: „Die Lage ist sehr ernst“, versucht er in seiner Rede erst gar nicht um den heißen Brei herumzureden. „Hohe Schulden belasten unsere Bilanz. Weil wir Milliardenbeträge in neue Gas- und Kohlekraftwerke investiert haben.“ Und die verdienen kein Geld mehr, weil Strom aus Wind- und Sonnenkraft subventioniert und mit Vorrang in die Netze eingespeist wird.
Weniger verdienen mit Kohlekraftwerken
Auch wenn die Umweltverbände vor der Grugahalle das anders sehen: Terium unterstreicht, dass fossile Kraftwerke trotz des Ausbaus der Erneuerbaren „unverzichtbar bleiben“. Weil die Preise an der Strombörse weiter sänken, „werden unsere Kraftwerke in den nächsten Jahren noch weniger verdienen“, unkt Terium. „Wir sehen das Unwetter kommen. Und wir haben uns darauf eingestellt.“
Der RWE-Chef will Kosten sparen, den Konzern umstrukturieren. Der vierköpfige Vorstand verzichtet auf eine halbe Million Euro Gehalt. Auch durch Erlöse aus Unternehmensverkäufen ist die Verschuldung 2013 um mehr als zwei Milliarden Euro auf unter 31 Milliarden Euro gesunken.
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Terium bekräftigt seine Prognose. Danach werden die Ergebnisse in diesem Jahr noch weiter schrumpfen. Für die Zeit danach macht der Manager den Anlegern aber Hoffnung. Die dramatischen Entwicklungen der vergangenen Jahre würden sich so nicht fortsetzen. „Unsere Ergebnisse werden sich nach heutigem Kenntnisstand weitgehend stabilisieren, allerdings auf einem gegenüber den Vorjahren niedrigeren Niveau.“
Anleger kritisieren Bundesregierung
Der Auftritt des RWE-Chefs scheint die vor der Hauptversammlung so erhitzten Gemüter zu beruhigen. „Die Botschaft ist angekommt“, lobt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Es ist eine Schande, was man mit unserer RWE gemacht hat“, sagt Tüngler und meint damit nicht das Management, sondern die Bundesregierung, die „Deutschland mit ihrer Energiepolitik ins Abseits“ treibe. Tüngler wirbt dafür, Terium beim RWE-Umbau Zeit zu geben.
„Herr Terium, wir halten den von Ihnen eingeschlagenen Weg für absolut richtig und dringend notwendig“, sagt der Fondsmanager Ingo Speich. Kostendisziplin, Kraftwerksstilllegungen und Jobabbau seien zwar unpopulär, aber unvermeidbar. „RWE muss sich gesundschrumpfen und braucht an der Spitze keinen Visionär, sondern einen Sanierer.“
Nur sieben Prozent Erneuerbare
Kritik wird jedoch am umweltpolitischen Engagement des Essener Konzerns laut: RWE sei weiter der größte CO2-Produzent Europas, „ein trauriger Negativrekord“, kritisierte Speich. Mit rund sieben Prozent Erneuerbaren-Anteil an der Stromerzeugung hinke RWE bei den Erneuerbaren hinterher.
Gegen Mittag leert sich die Grughalle allmählich. Die Aktionäre gehen nach Hause. Auch auf dem Vorplatz ist Ruhe eingekehrt. Ein einsamer Demonstrant verharrt in der Sonne. In der Hand hält er ein Pappschild mit der Aufschrift „Stoppt!“. Das dazugehörige Transparent liegt zusammengeknüllt auf dem Boden.