Frankfurt/Main. Der drohende Pilotenstreik bei der Lufthansa hat bereits vor Beginn an diesem Mittwoch die Reisepläne Tausender Fluggäste durchkreuzt.
Europas größter Luftverkehrskonzern musste wegen des bis Freitag angekündigten Ausstands nahezu das komplette Flugprogramm absagen. 425 000 Reisende wurden auf andere Verkehrsmittel umgebucht oder auf spätere Termine vertröstet.
Vor allem die Drehkreuze München und Frankfurt rechnen mit einem deutlich abgespeckten Flugprogramm. Sie bereiten sich darauf vor, gestrandete Transit-Passagiere zu versorgen. Bis zum Streikende hat Lufthansa nur rund 500 Flüge mit Tochtergesellschaften geplant, die nicht bestreikt werden.
Am Dienstag lief der Streik bereits mit großer Wucht auf die Passagiere zu. Eine kurzfristige Einigung wurde von beiden Seiten als unwahrscheinlich bezeichnet. Ohnehin sei der Schaden für das Unternehmen bereits eingetreten, sagte Lufthansa-Sprecherin Barbara Schädler dem ZDF.
Ein so kompliziertes Netzwerk mit so vielen Flügen könne man nicht innerhalb eines Tages "hoch- und runterfahren". Lufthansa hatte auf die Androhung eines dreitägigen Streiks der rund 5400 Kapitäne und Co-Piloten reagiert und für diese Woche rund 3800 Verbindungen gestrichen.
Auf weitere Streiks in den Osterferien will die Vereinigung Cockpit (VC) nach dem aktuellen Ausstand verzichten, wie VC-Sprecher Jörg Handwerg bekräftigte. Er verteidigte das Ausmaß der Arbeitsniederlegung: "Nein, ein Streiktag hätte unserer Ansicht nach nicht gereicht."
Den Streitwert zwischen Piloten und Lufthansa hatte er auf etwa eine Milliarde Euro beziffert. Streikanlass sind die von Lufthansa einseitig gekündigten Übergangsrenten, die den Piloten bislang ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf ermöglichten. Offen ist zudem der Tarifvertrag zu den Gehältern, bei dem die VC ein Plus von knapp 10 Prozent verlangt.
Lufthansa bezifferte die vom Streik ausgelösten Verluste auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Luftfahrt-Analyst Michael Kuhn von der Deutschen Bank rechnet damit, dass der dreitägige Vollstreik die Lufthansa insgesamt 70 bis 80 Millionen Euro kosten wird. Dies entspreche rund fünf Prozent des für 2014 geplanten operativen Gewinns.
Der Pilotenstreik zeigt schon am Dienstag Wirkung, als Lufthansa 67 Flüge absagte. Meist handelte es sich um Fernflüge, die am Mittwochmorgen in Frankfurt oder München landen sollten. Diese Maschinen würden Passagiere auf einen Umsteigeflughafen bringen, von dem sie nicht weiterkommen, erklärte ein Lufthansa-Sprecher. Von daher verzichte man auf diese Flüge. Auch die meisten Frachtflüge der ebenfalls bestreikten Lufthansa Cargo wurden abgesagt.
Die Passagiere buchten am Dienstag massenhaft ihre Verbindungen um. Die Lufthansa bot Umbuchungen auf andere Termine, die Bahn und andere Fluggesellschaften an. Die nicht bestreikten Konzerntöchter Swiss und Austrian sollten für das deutsche Netz ein wenig Entlastung bringen, indem sie auf den von ihnen bedienten Hauptstrecken etwa von Wien und Zürich nach Frankfurt größere Flugzeuge einsetzen. Auch Konkurrent Air Berlin sowie ausländische Gesellschaften wie die Air France wollten in der Streikzeit größere Jets einsetzen.
Auf kürzeren Strecken konnten die Passagiere kurzfristig auf die Bahn umsteigen. Sie hält nach eigenen Angaben Reservezüge samt Personal an wichtigen Bahnhöfen bereit. Je nach Wochentag stünden dafür ein bis zwei Dutzend IC- und ICE-Züge zur Verfügung, sagte ein Sprecher in Berlin. Die Lage habe sich verbessert, seit Siemens acht der lang erwarteten neuen ICE-Züge ausgeliefert habe. "Mit der gestiegenen Reserve sind wir zuversichtlich, dass wir alle Leute an ihr Ziel bringen." Die Bahn befördert im Fernverkehr durchschnittlich 360 000 Fahrgäste am Tag.
Lufthansa hat eine Liste der rund 3800 gestrichenen Flügen ins Netz gestellt und nach eigenen Angaben zudem rund 150 000 personalisierte SMS und E-Mails an registrierte Kunden verschickt. "Ähnlich wie beim Verdi-Streik in der vergangenen Woche werden nur sehr wenige unvorbereitete Passagiere an die Flughäfen kommen", sagte ein Lufthansa-Sprecher. Dennoch habe man die Beraterteams in den Terminals sowie das Personal an den Schaltern verstärkt.
An den beiden Drehkreuzen Frankfurt und München liefen die Streik-Vorbereitungen auf Hochtouren. Man bereite sich insbesondere darauf vor, dass im Transitbereich gestrandete Passagiere längerfristig versorgt werden müssten, sagte ein Sprecher des Frankfurter Betreibers Fraport am Dienstag. Dazu gehören Schlaf- und Waschmöglichkeiten sowie Nahrungsmittel und Getränke.
An beiden Flughäfen wird angesichts vorangegangener Streik-Erfahrungen aber nicht mit einem Chaos gerechnet. "Wir wissen sehr frühzeitig über die Flugausfälle Bescheid und damit auch die Passagiere", sagte ein Sprecher des Münchener Flughafens. Die meisten würden vermutlich die Reise zum Airport gar nicht erst antreten. In Frankfurt wurden wegen der fehlenden Nachfrage sogar die Schichten für die Abfertigung der Jets ausgedünnt. In den Terminals sei mehr Personal eingeplant als üblich.