Brüssel.

„Die Ansätze sind derartig unterschiedlich – ich bin gar nicht sicher, ob TTIP wirklich zustande kommt“, unkte Martin Häusling, Agrar-Experte der Grünen im Europa-Parlament, im vergangenen Herbst. Gemeint waren die grundverschiedenen Vorstellungen beim Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP), etwa zur Lebensmittel-Sicherheit, zum Einsatz der Gentechnik auf dem Acker oder zum Verbraucherschutz: Nach amerikanischer Auffassung sollte erlaubt sein, was nicht nachgewiesenermaßen schädlich ist. Die Europäer verlangen hingegen vorab den Nachweis der Unbedenklichkeit.

Fünf Monate und zwei Verhandlungsrunden später scheint sich Häuslings Skepsis zu bewahrheiten: 540 Euro soll nach den Schätzungen der Planer jeder Haushalt in der EU dank TTIP pro Jahr zusätzlich in der Kasse haben. Doch von solchen erfreulichen Perspektiven redet derzeit kaum jemand. Die öffentliche Debatte, besonders in Deutschland, sieht anders aus.

Drei Bereiche sind es vor allem, auf die sich die Kritik konzentriert: Investorenschutz, Aufweichung von Verbraucher-Standards und die Geheimhaltung. Die in Handelsabkommen üblichen Klauseln zum Investitionsschutz sind für kritische Organisationen wie das Corporate Europe Observatory oder die Initiative Campact ein Verzicht auf politische Selbstbestimmung. Gegen EU-Regelungen zugunsten von Gesundheit, Umwelt oder auch zur Einhegung der Finanzwirtschaft können nämlich ausländische Unternehmen unter Berufung auf die Klauseln vorgehen und Schadenersatz für entgangene Profite verlangen. Wegen des starken Widerstands hat Handelskommissar Karel De Gucht die Verhandlungen über diesen Punkt erst einmal ausgesetzt.

Um die Sorgen vor laxeren Lebensmittel-Vorschriften zu dämpfen, war De Guchts Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero unlängst persönlich in Berlin: „Es gibt bestimmte deutsche Vorbehalte, dass unsere Normen aufgeweicht werden. Das wird nicht geschehen“, versicherte Garcia Bercero. Dagegen stehen Verlautbarungen der US-Geflügelwirtschaft. Die will den amerikanischen Verhandlungsführern klargemacht haben, dass der europäische Widerstand gegen Importe chlorbehandelter Hühnchen nicht weiter als ein Handelshemmnis sei, das beseitigt gehöre.

Nach Einschätzung deutscher Diplomaten sind die gegenwärtigen Schwierigkeiten in erster Linie ein verschärfter Kampf um die Öffentliche Meinung. Dabei hätten die Anti-TTIP-Fundamentalisten gegenwärtig Oberwasser. Die Sachprobleme lägen aber im Rahmen dessen, was bei solchen Verhandlungen zu erwarten sei. Neuen Schwung soll der Besuch von US-Präsident Barack Obama bringen, der Ende des Monats zum Gipfel mit der EU in Brüssel erwartet wird.