Prag/London. .
Die Europäische Union (EU) könnte bei einem Lieferstopp Russlands nach Einschätzung von Analysten die Ukraine nur für kurze Zeit ausreichend mit Erdgas versorgen. Im Zuge des Krim-Konflikts wird in der EU an einem Plan gefeilt, wie die Ukraine an den Rohstoff gelangen kann, wenn der russische Staatskonzern Gazprom dem Nachbarland den Gashahn zudrehen sollte. Dabei sollen die Pipelines, die normalerweise russisches Gas über die Ukraine in die EU transportieren, für die Lieferung in umgekehrte Richtung genutzt werden. Doch Experten wie die Beratungsgesellschaft Eurasia Group gehen davon aus, dass die EU-Kapazitäten dafür nicht dauerhaft ausreichen würden.
So importierte die Ukraine im vergangenen Jahr rund 28 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas. Zwar verfüge das Land über Notvorräte für ein paar Monate, heißt es in einem Eurasia-Bericht. Und aus Deutschland und Ungarn könne die Ukraine pro Jahr bis zu zehn Milliarden Kubikmeter bekommen. Doch die Eurasia-Experten gehen davon aus, dass diese Länder im Verlauf des Konflikts immer weniger dazu bereit sein werden, ihr eigenes Gas zur Verfügung zu stellen. Zudem halten viele Analysten die Kapazität von zehn Milliarden Kubikmetern pro Jahr für zu hoch gegriffen.
EU-Versorgung istdas größere Problem
Eine vertragliche Vereinbarung für die umgekehrte Nutzung der Gasrohre steht auch noch aus. Doch für Versorgungsengpässe scheint dieser Weg ohnehin kaum geeignet. So könnte es trotz der EU-Bemühungen noch sechs Monate dauern, bis über die Slowakei tatsächlich Gas in die Ukraine fließt.
Vielen Experten gilt die Versorgung Europas zudem als das viel größere Problem: Schließlich liefert Gazprom rund 30 Prozent des Gasbedarfs der EU, ein Drittel davon strömt über die Ukraine nach Westen. Streitigkeiten zwischen Russland und der Ukraine haben in der Vergangenheit bereits zu Engpässen geführt. Die Regierung in Moskau schrecke nicht vor Sanktionen gegen die Ukraine zurück, hieß es bei der Energie-Beratungsfirma Ispex. Die Frage sei, was mit dem für Westeuropa bestimmten Gas passiere, wenn Russland die Versorgung des Landes einstelle.