Genf. Die Krise in der Ukraine bereitet den europäischen Autoherstellern Sorgen. Während die deutschen Hersteller sich mit Krisenszenarien noch zurückhalten, warnt Fiat-Chef Sergio Marchionne bereits vor Rückschlägen für den gerade wieder erstarkenden europäischen Automarkt.
Sollte sich die Lage in der Ukraine weiter zuspitzen, könne das die Nachfrage in Westeuropa dämpfen, sagte Marchionne am Dienstag auf dem Autosalon in Genf.
Die Branche rechnet nach einer mehrjährigen Absatzkrise für 2014 erstmals wieder mit einer zaghaften Erholung in Westeuropa. Der Branchenverband VDA spricht von zwei Prozent Plus auf 11,7 Millionen Autos.
Die deutschen Autobauer äußerten sich zurückhaltend zu möglichen Folgen der Ukraine-Krise. "Wir beobachten die Situation genau", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Da die Lage auf der Krim sich aber jede Minute verändere, sei es derzeit schwer, eine Schlussfolgerung zu ziehen. Ähnlich äußerte sich BMW-Chef Norbert Reithofer. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann warnte: "Hektische Reaktionen nutzen gar nichts." Für Opel sei Russland bereits heute der drittgrößte Markt - bis 2020 werde es das wichtigste Autoland in Europa sein.
VDA-Präsident Matthias Wissmann hatte am Montag ebenfalls gewarnt, dass die Ukraine zur Gefahr für die Erholung auf dem europäischen Markt werden könnte. Zugleich verteidigte Wissmann Investitionen in Staaten wie Russland. Die Branche könne sich bei solchen Entscheidungen nicht an Regierungsformen orientieren.
Doch genau davor könnten Firmen in Zukunft zurückschrecken. Die Ukraine sei ein Beispiel dafür, dass viele Märkte für die Autobauer schwankungsanfällig seien, sagte Peter Fuß, von der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY). Viele mittelständische Zulieferer spielten gerade erst mit dem Gedanken, in Russland zu investieren - und schreckten nun zurück. "Ich fürchte das setzt sich jetzt in den Köpfen fest." Sollte sich die Krise zuspitzen, wäre auch der europäische Aufschwung in Gefahr, glaubt Fuß: "Die Endverbraucher sind nach wie unheimlich nervös.". In Ländern wie Spanien, wo die Arbeitslosigkeit immer noch hoch sei, würde das Geld für neue Autos als erstes gekürzt.
Daimler-Chef Zetsche erwartet, dass das Geschäft in Westeuropa ungeachtet der Ukraine-Krise anzieht. "Wir sehen den Beginn einer Erholung", sagte er. "Wir bekommen positive Signale selbst in den Märkten in Südeuropa." BMW-Chef Reithofer sprach von einem "leichten Trend nach oben", betonte jedoch: In Frankreich etwa gebe es viele Fragezeichen. Der Automarkt im Krisenland Spanien liege noch immer am Boden. "Dort haben wir einen weiten Weg vor uns."
Trotz der Wachstumsschwäche in der Heimatregion arbeiten die Hersteller am Limit. Weltweit könne Daimler derzeit nicht so viele Autos bauen, wie nachgefragt würden, sagte Zetsche. Die Schwaben denken deshalb über neue Werke nach: "Nordamerika ist sicher ein möglicher Ort für so ein Werk", sagte Zetsche. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Der Daimler-Chef deutete an, dass das in den kommenden zwölf Monaten der Fall sein werde.
Auch BMW spielt mit dem Gedanken einer neuen Fabrik in Mittel- oder Nordamerika. Die Entscheidung über eine weitere Produktion im sogenannten Nafta-Raum (Kanada, USA und Mexico) sei aber noch nicht gefallen, sagte BMW-Chef Reithofer. Der Rivale Audi baut bereits ein neues Werk in Mexiko.