Berlin. .
Es gibt immer mehr Arztpraxen, und trotzdem fehlen in manchen Gebieten Deutschlands praktizierende Mediziner. Patienten klagen selbst in gut versorgten Regionen über lange Wartezeiten auf einen Behandlungstermin. Der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) will nun gemeinsam mit den Ärzteverbänden gegen den Ärztemangel vorgehen, der insbesondere bei den Hausärzten spürbar wird.
„Bundesweit fehlen 1000 Allgemeinmediziner“, sagt der stellvertretende GKV-Vorstand Johann-Magnus von Stackelberg. Die Ärzteschaft selbst geht von einem deutlich höheren Bedarf aus. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) sind 2600 Hausarztsitze sowie 2000 Facharztsitze nicht besetzt. Der Unterschied ergibt sich aus dem Versorgungsgrad. Die KBV geht von einem höheren Bedarf aus als die Kassen.
Im Kernruhrgebiet liegt die Haus- und Facharzt-Versorgung zum Teil deutlich über dem von den Kassen gesetzten Soll. In Südwestfalen und am Niederrhein gibt es dagegen bereits großen Bedarf.
Ambulante Versorgung reformieren
Vor allem bei den Hausärzten zeichnet sich ein gravierender Mangel ab. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Praxen um fast 4000 auf jetzt noch knapp 56 000 zurückgegangen. Zusammen mit den angestellten Allgemeinmedizinern ist die Anzahl der behandelnden Ärzte zwar annähernd gleich geblieben. Doch dabei werden auch Teilzeitbeschäftigte mitgezählt. Im Verhältnis zu den Fachärzten geht der Anteil immer weiter zurück. „Schon jetzt können viele Arztsitze nicht besetzt werden“, warnt KBV-Chef Andreas Köhler. In den nächsten Jahren könnte sich die Situation noch zuspitzen. Laut Köhler scheiden bis zum Ende dieses Jahrzehnts 51 000 Ärzte altersbedingt aus dem Berufsleben aus.
Mit einem Bündel an Veränderungen wollen die Kassen dem Mangel begegnen. So fordert Stackelberg eine Reform der Ausbildung der Mediziner. Das Studium sei viel zu stark auf eine spätere Spezialisierung zugeschnitten und zu wenig an der Versorgung der Patienten orientiert. Die GKV plädiert für eine Reform der Bedarfsplanung für die ambulante Versorgung.
Der Einzelkämpfer im weißen Kittel ist nicht mehr zeitgemäß. „Wir denken, dass kooperativen Praxisstrukturen die Zukunft gehört“, erläutert Stackelberg. Damit will er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Da die Patienten immer häufiger mit mehreren Krankheitsbildern in die Praxen kommen, sind auch Teams gefragt, die auf unterschiedlichen Fachgebieten ausgebildet sind. Vorantreiben wollen die Kassen auch die Anstellung von Ärzten durch die Praxisbetreiber. Dieses Modell kann für junge Mediziner interessant sein, weil es eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht. Schließlich fordern die Kassen mehr flexible Angebote wie mobile Arztpraxen oder Filialen. So werde eine bessere Versorgung in ländlichen Gebieten erleichtert.
Dokumentationen in der Kritik
An fehlenden finanziellen Mitteln würden die angestrebten Reformen nach Ansicht des GKV nicht scheitern. „Es fehlt nicht an Geld, aber kommt es dort an, wo es gut eingesetzt ist?“, fragt Manfred Partsch, Verbandsexperte für ambulante Versorgung. So zweifeln Krankenkassen etwa an einer korrekten Dokumentation der ärztlichen Diagnosen. Sie hegen den Verdacht, dass Mediziner die Krankheiten von Patienten aufbauschen, um höhere Vergütungen einzustreichen. Einheitliche Standards für Dokumentationen könnten für mehr Transparenz sorgen.