Haltern.. Viele Steinkohlekraftwerke schreiben tiefrote Zahlen. Die IG BCE schlägt in der Not eine nationale Betreibergesellschaft vor - ähnlich der Ruhrkohle AG. Beim Zechensterben in den 1960er Jahren gab es damit gute Erfahrungen. Doch Widerspruch ist vorprogrammiert.

Die Gewerkschaft IG BCE hat angesichts der massiven Gewinneinbrüche vieler Stromversorger eine nationale Betreibergesellschaft für die deutschen Steinkohlekraftwerke ins Gespräch gebracht. Das sei effizienter als der Betrieb der vielfach verlustträchtigen Kraftwerke in Konkurrenz, sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis bei einer Gewerkschaftsveranstaltung am Freitagabend in Haltern. Die fünf größten Versorger Eon, RWE, Vattenfall, EnBW und Steag könnten ihre Kraftwerke zu einem noch festzulegenden Preis an die Verstromungs-Gesellschaft abgeben.

Der Vorschlag betreffe 28 bis 30 Gigawatt Verstromungskapazität, die zu drei Vierteln den fünf Großen der Branche gehörten, sagte Vassiliadis. In den Kraftwerken arbeiten rund 5000 Menschen. Auch die anderen Betreiber von Steinkohlekraftwerken - etwa Stadtwerke oder Stadtwerkeverbünde - seien in der Gesellschaft willkommen.

Versorger sollen finanzielle Luft für Energiewende gewinnen

Als rechtliche Form komme eine Aktiengesellschaft infrage. Unter einheitlicher Führung ergäben sich Rationalisierungsreserven von 100 Millionen Euro im Jahr und damit Ergebnisverbesserungen. Innerhalb eines nationalen Verbundes könnten jeweils die modernsten Kraftwerke mit dem höchsten Wirkungsgrad und niedrigsten CO2-Ausstoß eingesetzt werden. Die Versorger gewännen ohne die Kraftwerke zugleich Investitionskraft für die Energiewende.

Er habe den Vorschlag Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) sowie den Chefs von Eon, RWE und Steag bereits vorgetragen. Die Politik habe die Idee voll Interesse aufgenommen, die Unternehmenschefs hätten eher reserviert reagiert.

Viele Kraftwerke schreiben derzeit enorme Verluste

Viele Steinkohlekraftwerke in Deutschland machen angesichts des stark gefallenen Börsenstrompreises Verluste. RWE etwa musste vor kurzem Wertberichtigungen im Volumen von 3,3 Milliarden Euro vornehmen. Der Großteil entfällt dabei auf die konventionelle Stromerzeugung. RWE und viele andere Versorger mussten ihre Investitionen insgesamt scharf zurückfahren - auch die in erneuerbare Energien und damit in die energiepolitische Zukunft.

Eine nationale Gesellschaft ändere nichts daran, dass es künftig einen finanziellen Ausgleich für das Bereitstellen konventioneller Energie - den sogenannten Kapazitätsmarkt - geben müsse, sagte Vassiliadis. Der Förderbedarf würde aber mit der Neuerung geringer ausfallen.

Vorbild ist die Ruhrkohle AG

Vorbild sei die Gründung der Ruhrkohle AG Ende der 1960er Jahre in der deutschen Zechenkrise, sagte der Gewerkschaftschef. 1968 hatten sich 23 deutsche Zechenunternehmen angesichts von Überkapazitäten und stark gefallenen Preisen zu einer privatwirtschaftliche geführten Einheitsgesellschaft zusammengeschlossen, die rund 85 Prozent der Branche umfasste.

Die Rettung der deutschen Steinkohle gegen die preiswertere ausländische Konkurrenz gelang damit nicht. Die später in RAG umbenannte Gesellschaft bildete aber eine wichtige Grundlage und einen zentralen Ansprechpartner für den sozialverträglichen Ausstieg aus der deutschen Steinkohleförderung. Auch der mit der Energiewende langfristig geplante Abbau der konventionellen Verstromung sei mit einer nationalen Gesellschaft leichter zu organisieren als mit konkurrierenden Unternehmen, sagte Vassiliadis.

Widerstand aus dem Kartellamt und von der EU zu befürchten

Den Vorwurf der Verstaatlichung fürchte er nicht. "Ich bin nicht der Initiator, ich repariere nur die Folgen." Mit der Energiewende sei ein künstlicher Marktzugang für erneuerbare Energien geschaffen worden, die bereits rund 25 Prozent Anteil hätten - mehr als die Atomkraft je gehabt habe. "Ich bin ein Marktfreund, aber die Marktwirtschaft ist schon ausgeschaltet."

Probleme könnten den Plänen vom Kartellamt und aus Europa drohen, räumte Vassiliadis ein. Mit dem Bundeskartellamt und Brüssel habe er noch keine Gespräche geführt. Es handele sich um einen Vorschlag, der jetzt weiter diskutiert werden solle. (dpa)