Essen/Washington.

Auf den ersten Blick ist das eine Übernahme, die nicht so recht passen will. Hier das als Datenkrake verschriene Facebook, das an Informationen sammelt, was es bekommen kann und damit Werbung auf den einzelnen Nutzer zuschneidet. Dort „Whats-App“, ein Programm, mit dem sich Nachrichten vom Smartphone verschicken lassen und das auf Werbung bisher komplett verzichtet hat. Bei genauerem Hinsehen allerdings macht der Kauf für Facebook durchaus Sinn. Obwohl man bei einem Preis von 19 Milliarden Dollar (rund 14 Milliarden Euro) nicht von einem Schnäppchen sprechen kann.

19 Milliarden Dollar. Dafür hätte Facebook-Chef Mark Zuckerberg auch 19-mal den Internet-Bilderdienst Instagram oder 76-mal die Washington Post kaufen können, rechnete ein Harvard-Professor hoch. Er hätte auch nach Deutschland kommen können, um mal eben Thyssen-Krupp (Börsenwert 11,52 Milliarden Euro) oder Evonik (13,64 Milliarden) zu kaufen. In allen Fällen hätte man zumindest ungefähr gewusst, ob das Geschäft sich lohnt. Bei „WhatsApp“ mit seinen 55 Beschäftigten kann man das nur ahnen.

„Atemberaubender Wahnsinn“

Denn wenn es um Umsatz oder Gewinn geht, wird „WhatsApp“-Chef Jan Koum recht einsilbig. Bekannt ist nur, dass das Programm jeden Nutzer knapp einen Dollar pro Jahr kostet. Und dass es derzeit weltweit rund 450 Millionen Nutzer gibt – 30 Millionen davon in Deutschland. Die Gebühr würde den Kaufpreis erst in vielen Jahren wieder einspielen – selbst wenn die Kundenzahlen von „WhatsApp“ weiter um eine Million täglich steigen. Unwahrscheinlich, dass Zuckerberg so viel Geduld aufbringt. Analysten reagierten ob des Preises mit Kopfschütteln. „Der Wahnsinn in dieser Branche wird immer atemberaubender“, zitierte der San Francisco Chronicle einen Risikokapitalgeber.

Es geht aber nicht nur um Geld, Zuckerbergs Interesse am kleineren Konkurrenten hat auch einen anderen Grund. Facebook hat 1,2 Milliarden Kunden, verlor aber zuletzt unter jungen Nutzern an Bedeutung. Keine 17-Jährige möchte in einem Netzwerk unterwegs sein, in dem auch Mama, Papa, Tante, Onkel, manchmal sogar Opa Mitglied ist. „Peinlich“ finden das auch viele deutsche Teenager. Bei sogenannten Messengern wie „Whats-App“ ist das anders. Um das Image, cool zu sein, zurückzuerobern, hatte Zuckerberg deshalb schon 2013 vergeblich versucht, den Messengerdienst „Snapchat“ zu kaufen.

Megadeal bei Erdbeeren mit Schoko

Diesmal dauerte es nach Berichten der New York Times offenbar keine 14 Tage, bis das Geschäft unter Dach und Fach war. Allerdings waren Koum und Zuckerberg bereits seit zwei Jahren im vertraulichen Austausch. Vor zwei Wochen dann folgte das ernsthafte Angebot. Koum erbat sich Bedenkzeit. Ende vergangener Woche soll er bei Zuckerberg unangemeldet aufgeschlagen sein. Bei einer Portion Erdbeeren mit Schokolade, die eigentlich für Zuckerbergs Gattin Priscilla bestimmt war, sei man sich handelseinig geworden.

Für „WhatsApp“-Nutzer, beeilte sich der 38-Jährige nach Bekanntgabe des Deals zu versichern, werde sich „nichts ändern“. „Whats-App“-Kunden dürften weiter uneingeschränkt darauf vertrauen, dass ihre „Kommunikation nicht durch Werbung unterbrochen wird“. Der Deal mit Facebook wäre nicht zustande gekommen, so Koum, wenn wir bei unseren wichtigsten Prinzipien hätten Abstriche machen müssen.“

Wertvolle Daten

An diesem Prinzip festzuhalten, könnte auf Dauer dennoch schwierig werden, fürchten viele Nutzer. Auch weil Zuckerberg durchblicken ließ, dass die Sache mit dem Geldverdienen noch besser werden müsse. Daten von rund einer halben Milliarde Nutzern sind da nicht das Schlechteste. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar meint angesichts des Kaufpreises, „dass eine Kapitalisierung über die personenbezogenen Daten der Nutzer erfolgen muss“.

Befürchtet wird in vielen Foren auch eine Erhöhung des jährlichen Abopreises. Im Nachhinein, so Experten des Internet-Blogs Techcrunch, werde die Bedeutung dessen klar, was Zuckerberg zum zehnjährigen Firmenjubiläum von Facebook dem Sender NBC sagte: „Das Beste kommt erst noch.“