Tokio. .
Der sauerländische Armaturen-Hersteller Grohe stand lange für die Ausschlachtung eines Traditionsunternehmens. „Heuschrecken“ nannte der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering 2004 die Finanzinvestoren TPG und DLJ Merchant Partners, als sie Grohe für 1,5 Milliarden Euro übernahmen. Einfallen, abgrasen, weiterziehen – bei Grohe sah Müntefering die düsteren Mächte des Kapitalismus am Werk.
„Wichtig für unsere Strategie“
Kein Wunder, dass nun viele genauer hinschauen, wenn die selbsternannten Sanierer von einst nach neun Jahren und dem Abbau von mehr als 1000 Jobs in Deutschland Kasse machen. Grohe ist jetzt japanisch. Nippons größter Baustoffhändler, der Lixil-Konzern aus Tokio, hat den Badezimmer-Ausrüster Ende Januar für 2,7 Milliarden Euro erworben. Es ist die größte Investition eines japanischen Unternehmens in Deutschland überhaupt.
Die Vorzeichen des Eigentümerwechsels seien jedoch ganz andere als damals, beteuerte Lixil-Chef Yo-shiaki Fujimori, der sich bei einem Besuch von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) in Tokio zu seinem Großeinkauf äußerte. „Grohe hat eine wichtige Bedeutung für unsere Strategie der Internationalisierung“, sagte Fujimori. Die in Deutschland verbliebenen 2300 von weltweit 9000 Arbeitsplätzen seien sicher, betonte der Manager. Allein in NRW beschäftigt der Armaturen-Hersteller in der Zentrale Düsseldorf sowie den Fertigungsstätten Hemer und Porta Westfalica 1700 Menschen. „Grohe verfügt über hervorragende Ingenieure und Techniker, die Produkte liegen in der absoluten Premiumklasse“, sagte Fujimori. Lixil vertreibt seit Jahrzehnten Fenster, Türen und Badezimmer, konnte jedoch als Sanitärarmaturen-Hersteller auf dem europäischen und amerikanischen Markt nicht richtig Tritt fassen. Trotz eines weltweiten Gesamtumsatzes von elf Milliarden Euro, den mehr als 45 000 Mitarbeiter in 28 Ländern erwirtschaften.
Angst vor einer neuen Rationalisierungswelle müsse in Hemer oder Düsseldorf niemand haben. Eher würden neue Mitarbeiter eingestellt. „Auch Zukäufe von Grohe in Europa sind möglich“, sagte der Firmen-Boss. „Wir wollen wachsen“, versicherte Fujimori. Wirtschaftsminister Duin hörte es gern: „Es ist gut, wenn ein starker Investor und eine große Traditionsmarke zusammenfinden.“
Insgesamt ist nach dem Fukushima-Schock wieder ein größeres Interesse der japanischen Wirtschaft an NRW spürbar. Eine Wachstumsrate von 2,6 Prozent 2013 und ein abgewerteter Yen haben den Konzernen Luft verschafft für Investitionen. Die All Nippon Airways (ANA) reagiert und bietet ab März einen Direktflug Düsseldorf-Tokio an. Lixil ruft im April am Rhein erstmals ein internationales Managertreffen zusammen. Zurzeit sind 500 japanische Firmen in NRW vertreten.
Energiewende als Exportschlager
Duin hat als künftige Kooperationsfelder die Energiewende und die Gesundheitswirtschaft ausgemacht. „Kernkraft wird ein wichtiger Bestandteil der japanischen Energieversorgung bleiben. Aber erneuerbare Energien gewinnen an Bedeutung“, so Duin. Die Herausforderungen ähneln den deutschen: Es fehlen Leitungsnetze und verlässliche Ausbaupfade für Ökostrom. Die staatliche japanische Förderorganisation NEDO, die jährlich 1,2 Milliarden Euro zu verteilen hat, schaut hier interessiert nach NRW.