Essen. . Der Automobilclub ADAC hat fast zehn Jahre lang die Ergebnisse seiner Leserwahlen gefälscht. Zwischen 2005 und 2013 seien die Teilnehmerzahlen geschönt und auch die Reihenfolge der Gewinnermodelle verändert worden, fanden die beauftragten Wirtschaftsprüfer von Deloitte heraus.
Die Aufarbeitung seiner Vergangenheit fördert für den ADAC immer düstere Details ans Tageslicht. Was die Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte vergangene Woche andeuteten, ist jetzt Gewissheit: Nicht nur die Wahl des „Gelben Engels“ in der Kategorie „Lieblingsauto“ 2014 war gefälscht, sondern alle anderen Wahldurchgänge seit der Einführung im Jahr 2005 auch.
„Für sämtliche Jahre, die wir auswerten konnten, können wir eindeutig belegen, dass sowohl die Teilnehmerzahlen als auch die Stimmenzahlen umfangreich manipuliert wurden“, erklärte gestern Frank Marzluf, Partner von Deloitte. Bei der Recherche in Akten und auf Computer-Festplatten des ADAC mussten die Wirtschaftsprüfer unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Denn für die Jahre 2005 bis 2008 waren kaum noch Unterlagen für die Wahl des „Lieblingsautos“ auffindbar. Für diesen Zeitraum habe man deshalb keine abschließende Prüfung vornehmen können, betont Marzluf.
Unterlagen nicht mehr auffindbar
Die Manipulationen für die Jahre danach sind erschütternd genug: Für 2009 etwa schraubte der ADAC die Zahl der Teilnehmer um satte 277 000 nach oben. 2013 dichtete der Autoclub 213 000 abstimmende Mitglieder hinzu. 2011 waren es nur 82 000. Was aber viel schwerer wiegt: Der ADAC verschob jährlich auch die Rangfolge der gewählten Automodelle.
Diese "Lieblingsautos" kürte der ADAC
Der ADAC vergibt den Autopreis "Gelber Engel" seit 2005 - in mittlerweile neun Kategorien. Die vom Autoclub seitdem gekürten "Lieblingsautos der Deutschen" - Sieger und Platzierte:
- 2005: Audi A6, dahinter: Opel Astra und VW Golf
- 2006: VW Passat, BMW 3er, Opel Zafira
- 2007: Audi TT Coupé, BMW 3er Coupé, Opel Corsa
- 2008: Mercedes C-Klasse, Audi A5, Ford Mondeo
- 2009: VW Golf VI, Opel Insignia, Mercedes SLK
- 2010: Mercedes E-Klasse, VW Polo, BMW X1
- 2011: BMW 5er, Mercedes CLS, Audi A1
- 2012: Audi Q3, BMW 1er, Mercedes SLK
- 2013: Mercedes A-Klasse, VW Golf, BMW 3er 2
- 014: VW Golf, Audi A3, Mercedes A-Klasse
Bei der Wahl 2010 betraf die Mogelei sogar den ersten Platz: Der Autoclub rief die Mercedes E-Klasse zum „Lieblingsauto der Deutschen“ aus, obwohl die Leser der Zeitschrift „Motorwelt“ das A5 Cabrio von Audi favorisiert hatten. Der Audi landete stattdessen auf Platz 4. Den BMW X1 schob der ADAC um drei, den Toyota Prius gar um sechs Ränge nach oben.
Aufwertung um sechs Plätze
Noch krasser fielen die Manipulationen 2009 aus: Damals stimmte nur der 1. Platz für den VW Golf mit den tatsächlich abgegebenen Stimmen überein. Der Opel Insignia etwa wurde von Platz 6 auf Platz 2 hoch katapultiert, der Mercedes SLK erfuhr eine Aufwertung um sechs Ränge. Dafür wurde das Audi A3 Cabrio um fünf Stufen ganz nach unten gesetzt.
Für die Tricksereien macht Deloitte „ein und dieselbe Person verantwortlich“, ohne allerdings den Namen von Michael Ramstetter zu nennen. Der Kommunikationsleiter des ADAC und Chefredakteur der „Motorwelt“ hatte Mitte Januar, als der Skandal aufflog, seinen Rücktritt erklärt. Er übernahm aber nur die Verantwortung für die frisierten Teilnehmerzahlen, nicht für die veränderte Rangfolge der „Lieblingsautos“.
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PR-Kampagne statt Neuausrichtung
„Die Ergebnisse lassen vermuten, dass einzelne Personen offenbar bereits seit Jahren bei der Preisverleihung die Hersteller und die Öffentlichkeit systematisch getäuscht haben“, gab sich gestern ADAC-Hauptgeschäftsführer Karl Obermair in einer Stellungnahme erschüttert.
Ebendiesen Top-Manager nahm gestern der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ins Visier. „Obermair hätte die jahrelange, systematische Manipulation auffallen müssen“, sagte er. Da Obermair im Gegensatz zum zurückgetretenen ADAC-Präsidenten Peter Meyer im Amt bleibe, bezweifelt Dudenhöffer die tatsächliche Reformbereitschaft des Clubs. Das Zehn-Punkte-Programm, das sich das ADAC-Präsidium auferlegt hat, erinnert den Autoprofessor deshalb eher an eine „PR-Kampagne“. Der ADAC bleibe eine Organisation, „die wenig Interesse an einer Neuausrichtung hat“, sagte Dudenhöffer.