Bönen. . Für die Hinterbliebenen der über 1100 Todesopfer nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch gibt es einen Entschädigungs-Fonds. Deutsche Modefirmen, die dort nähen ließen, beteiligen sich daran allerdings nicht. Auch nicht der Textildiscounter Kik. Das kritisiert der Grünen-Abgeordnete Friedrich Ostendorff.

Acht Monate mussten die Hinterbliebenen der mehr als 1100 Opfer, die bei dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch ums Leben gekommen waren, warten. Nun soll ein Fonds mit rund 29,2 Millionen Euro helfen. Nur: Deutsche Firmen, die in Bangladesch produzieren lassen, beteiligen sich daran bislang offenbar nicht.

Das Abkommen kam nach langen Verhandlungen an Heiligabend zustande. „Kein deutsches Unternehmen hat bisher seine Unterschrift darunter zugesagt“, erklärt Frauke Banse von der „Kampagne für saubere Kleidung“. Den Grünen-Bundestagsabgeordneten Friedrich Ostendorff ärgert insbesondere, dass der Textildiscounter Kik aus Bönen, dessen Zentrale in seinem Wahlkreis liegt, dem Abkommen nicht beitritt.

Abgeordneter kritisiert Tengelmann-Chef

„Wo bleibt Ihre Verantwortung, Herr Haub“, fragt Ostendorff. Im Interview mit dieser Zeitung hatte Karl-Erivan Haub, Chef der Mülheimer Tengelmann-Gruppe, der Kik mehrheitlich gehört, darauf gedrungen, dass alle Modeunternehmen bei den Entschädigungen mitmachen sollten. „Wir wollen gerne den gemeinsamen Hilfsfonds auf den Weg bringen, aber nicht allein. Wir können das Problem nicht allein lösen“, so Haub. Nach Angaben des Verbands der Produzenten und Exporteure von Textil in Bangladesch machten der spanische Einzelhändler El Corte Inglés, Bonmarche (England), Loblaw (Kanada) und Primark (Irland) Finanzierungszusagen.

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Ostendorff wirft Haub nun vor, sein Versprechen nicht gehalten zu haben. „Das Argument, die anderen machen auch nichts, stimmt so nicht“, meint der Grünen-Politiker und fordert die Tengelmann-Gruppe und Kik dazu auf, die bisherigen Blockierer beim Namen zu nennen und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. „Es geht hier ja nicht um Riesenbeträge“, so Ostendorff.

Kik setzt auf eigene Projekte

Auf Anfrage erklärte ein Kik-Sprecher, dass sein Unternehmen als einziges deutsches die Rahmenbedingungen für das Entschädigungs-Abkommen mitgestaltet habe. Am Ende seien aber Vereinbarungen entstanden, die „nicht den Ansatz abbilden, den wir uns gewünscht hätten“. Kik arbeite stattdessen an „eigenen Projekten, die gezielt Gruppen unterstützen sollen, die bisher noch wenig oder keine Hilfe erhalten haben“.

Der Einsturz des achtstöckigen Fabrikgebäudes Rana Plaza in der Nähe der Hauptstadt Dhaka am 24. April 2013 hatte eine internationale Debatte über Arbeitsbedingungen von Textilarbeitern in Bangladesch ausgelöst. Ein Brandschutzabkommen haben zahlreiche Modefirmen aus dem Westen unterzeichnet – auch Kik.

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70-Stunden-Woche in Textilfabriken

Hilfsorganisationen kritisieren aber, dass in Bangladesch noch immer keine internationalen Arbeitsstandards eingeführt seien. Die Beschäftigten arbeiteten in den Fabriken bis zu 70 Stunden pro Woche.

Nach Angaben des Hilfswerks Terre des Hommes brauchen Beschäftigte in Bangladesch 260 Euro im Monat, um leben zu können. Der gesetzliche Mindestlohn liege aber nur bei 28 Euro. Kaum besser sehe es in Kambodscha aus. Dort liege das Minimum für ein menschenwürdiges Leben bei 285 Euro. Der Mindestlohn betrage aber nur 60 Euro pro Monat. Die kambodschanischen Beschäftigten fordern eine Verdoppelung ihres Lohns. Diese Erhöhung würden deutsche Verbraucher kaum spüren, argumentiert der Kieler Außenhandels-Experte Rolf Langhammer. Der Lohnkostenanteil für ein 4,99-Euro-Shirt liege bei nur 15 Prozent. Bei einem verdoppelten Lohn erhöhe sich der Preis um 75 Cent.