Essen. Ob spontane Kissenschlacht auf einem Kreisverkehr oder kollektives Nickerchen im Einkaufszentrum: Flashmobs erleben gerade eine kleine Renaissance. Die Spaßgesellschaft jubelt, genauso wie die Werbebranche. Wird der Flashmob also zum neuen Werbetrend? Noch zögern die Experten.

Flashmob Aktion bei Mc Donalds: 200 Jugendliche geben gleichzeitig eine Bestellung auf, bestellen über 450 Burger. Foto: M. Weißenfels
Flashmob Aktion bei Mc Donalds: 200 Jugendliche geben gleichzeitig eine Bestellung auf, bestellen über 450 Burger. Foto: M. Weißenfels © NRZ | NRZ

Wenn Passanten mit verzweifelten Blicken die versteckte Kamera suchen, weil sich eine Gruppe von Menschen auf der Straße plötzlich eine wilde Kissenschlacht liefert oder sich andernorts zeitgleich die Schuhe auszieht, um minutenlang den Asphalt zu verdreschen – dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie gerade Zeugen eines Flashmob werden.

Diese skurrilen Straßentheater – definiert als blitzartige Ansammlungen von Menschen, die innerhalb kürzester Zeit eine möglichst sinnfreie Aktion durchführen – erleben gerade eine kleine Renaissance. Unkonventionell, überraschend, schnell kommen sie daher. Die Spaßgesellschaft jubelt. Dabei hat sie mit der Werbewirtschaft inzwischen eine Branche auf den Plan gerufen, die sich gerne mit denselben Attributen schmückt.

"Das Thema ist unheimlich populär"

„Flashmobs haben großes Potential in Sachen Werbung”, sagt Thomas Wange, Fachmann für Guerillia-Marketing der Essener Werbeagentur Kreartis, „besonders wegen ihres emotionalen Charakters.” Das haben auch deutsche Unternehmen erkannt: „Wir werden von unseren Kunden immer wieder darauf angesprochen. Das Thema ist unheimlich populär.”

Dennoch zögert der Fachmann bei der Umsetzung. „Als Werbeberater ist man noch vorsichtig, einen Flashmob zu empfehlen.” Mit der Kommerzialisierung gerät die Grundidee der Flashmobs nämlich ins Wanken. „Und das sieht die Community, die dahinter steht, gar nicht gern”, sagt Wange. Die Gefahr: Der Werbegag wird von den klassischen Flashmobbern ins Gegenteil verkehrt. „Das darf man während der Planung nicht vergessen.” Sein Rezept: Das positive Image der Firma nur ganz unterschwellig rüberbringen.

Medien greifen diese Events gerne auf

Ungeachtet aller Risiken entfremdete T-Mobile in Großbritannien als eines der ersten Unternehmen die Ursprungsidee: Hunderte Menschen stürmen für einen Werbespot den Bahnhof Liverpool Street in London und beginnen im Gleichschritt zu tanzen. Mit dem Ende der eingespielten Musik verschwindet die Masse wieder – ebenso still und heimlich, wie sie sich zuvor unter die nun verblüffte Öffentlichkeit gemischt hatte. Kurz nach dem Dreh ist der Spot bereits bei YouTube zu sehen, zahlreiche Blogger nehmen das Thema auf. Und lassen es von ihren Lesern feiern: „Flashmob ist eine gewaltige Form, um auf sich aufmerksam zu machen”, heißt es da.

Die Band U2 sprang inzwischen auf diesen Zug auf, bewarb das neue Album mit einem Flashmob. Und auch Fiat soll Aktionen in mehreren europäischen Großstädten planen.

Dieser Flashmob auf Sylt sorgte bundesweit für Aufsehen. Foto: ddp
Dieser Flashmob auf Sylt sorgte bundesweit für Aufsehen. Foto: ddp © ddp | ddp

„Der Medien-Effekt ist vor allem bei jungen, innovativen Produkten ein Vorteil”, sagt der Professor für Marketing der TU Dortmund, Hartmut Holzmüller. „Dadurch, dass die Medien solche Events gerne aufgreifen, ist die Reichweite sehr groß. Und: kostengünstig herbeigeführt.”

Aus Flashmob wird eine fette Beachparty

Prominentes Beispiel für diese Wirkung wurde kürzlich ein Flashmob auf Sylt: Ein 26-Jähriger hatte im Internetportal meinVZ den Aufruf gestartet: „Alle Mann nach Westerland – wir machen eine fette Beach-Party.” Womit aber auch er nicht gerechnet hatte: Rund 5000 Leute folgten dem Appell. Und feierten bis zum Morgengrauen. Die Veranstaltung löste ein großes Medienecho aus, und war auch Wochen später noch in den Schlagzeilen zu finden: So muss sich der Initiator nun mit dem Ordnungsamt der Nordseeinsel auseinandersetzen: Die Behörde macht ihn für die entstandenen Kosten (Aufräumarbeiten, etc.) verantwortlich. Ob sie damit durch kommt, ist eine andere Frage, denn die rechtliche Einordnung der skurrilen Straßen- oder hier: Strandtheater ist schwierig. Urteile, die den Flashmob bereits als Gegenstand haben: Fehlanzeige.

Hartmut Holzmüller warnt vor einem weiteren Aspekt: Die Gefahr, dass sich die Flashmobs bald ausgespielt haben, sei groß. „Das ist eine zeitlang lustig”, aber in ein bis zwei Jahren erreiche man niemanden mehr damit: keine irritierten Passanten, keine verzweifelten Blicke.