Essen. . Der Tarifstreit beim weltgrößten Versandhändler Amazon gewinnt in Deutschland an Schärfe. Während des seit fünf Tagen laufenden Streiks tauchen Kunden-Mails wegen verspäteter Warenlieferungen auf. Amazon wehrt sich: Lieferanten hätten Probleme mit der Warenbeschaffung. Gregor Gysi bietet sich als Vermittler an.
Die Gewerkschaft Verdi will ihren Streik beim Versandhändler Amazon auch in der Hochzeit des Umtauschs zwischen den Jahren ausweiten. Das Unternehmen bestritt gestern, dass es aufgrund des Arbeitskampfes zu verspäteten Warenlieferungen komme. Diese seien vielmehr mit Problemen der Warenlieferanten zu erklären, so eine Amazon-Sprecherin.
Die Gründe, warum die Geschenke an Heiligabend nicht pünktlich unter dem Weihnachtsbaum liegen, dürften den Verbrauchern ziemlich egal sein. Jedenfalls verschickt Amazon nach Verdi-Informationen Mails an Kunden, in denen auf Verzögerungen hingewiesen wird. „Betroffen sind nach unseren Kenntnissen mehrere Tausend Lieferungen pro Tag“, sagte Heiner Reimann von Verdi. „Wir können und wollen nicht ausschließen, dass dies auch mit den Streiks an Amazon-Standorten in Deutschland zusammenhängt.“
„Probleme bei der Warenbeschaffung“
Das wies eine Amazon-Sprecherin in München zurück: „Die Ankündigungen sind nicht auf die Streiks zurückzuführen. Das hat etwas mit der Warenbeschaffung im allgemeinen zu tun, nicht mit der Logistik.“ Gründe dafür könnten sein, dass Artikel aufgrund hoher Nachfrage ausverkauft sind oder Lieferanten nicht so schnell wie erwartet Ware beziehen können. Generell wolle Amazon aber sein Lieferversprechen einhalten und Artikel pünktlich zum Fest liefern, die bis Freitagabend kurz vor Mitternacht bestellt worden sind.
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Die Verbraucherzentrale NRW rät deshalb allen Kunden von Internet-Versanddiensten, genau auf das Lieferdatum zu achten. „Kommt das Paket erst nach Weihnachten an, kann der Kauf durch Widerruf rückgängig gemacht werden, wenn kurzfristig ein Ersatzgeschenk besorgt wurde“, so die Verbraucherzentrale.
Streiks auch nach Weihnachten
Zu Lieferbeeinträchtigungen kann es aber auch noch nach Weihnachten kommen, wenn Geschenke, die nicht gefallen, wieder zurückgeschickt werden. Denn Verdi kündigte gestern an, dass der Warnstreik bei Amazon auch im neuen Jahr fortgesetzt werden soll. In den Lagern Bad Hersfeld und Leipzig legten am Freitag nach Gewerkschaftsangaben 1100 Beschäftigte die Arbeit nieder. Laut Amazon sollen es deutlich weniger gewesen sein. Der Ausstand ist zunächst bis Samstag geplant und wird dann sechs Tage gedauert haben.
Mit dem Warnstreik will Verdi erreichen, dass die 9000 Mitarbeiter und 14.000 Aushilfen, die in dieser Weihnachtssaison die Paketflut in den acht deutschen Lagern bewältigen sollen, nach den besseren Bedingungen des Einzel- und Versandhandels bezahlt werden. Amazon lehnt das strikt ab und will seine Belegschaft auch in Zukunft nach dem Logistik-Tarif bezahlen.
4,6 Millionen Bestellungen am 15.12.
Noch am Donnerstag hatte Ralf Kleber, Amazon-Chef in Deutschland, betont, dass der Streik keinerlei Auswirkungen auf das Geschäft habe.
„Es bleiben keine Pakete liegen. Wir sind im Plan. Wir haben in diesem Jahr die beste Weihnachtssaison in der Geschichte von Amazon Deutschland“, sagt er der Nachrichtenagentur dpa. Der Spitzen-Bestelltag sei der 15. Dezember gewesen – mit 4,6 Millionen Bestellungen, was eine Steigerung um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeute.
Gysi bietet sich als Vermittler an
Der Linken-Politiker Gregor Gysi hat sich im Tarifkonflikt beim Online-Versandhändler Amazon als Vermittler angeboten. Das gab der Chef der Bundestagsfraktion am Freitag in Leipzig bekannt, wie die Linken-Landesgruppe berichtete. Der gelernte Jurist sei bereit, nach Seattle zu reisen und zwischen den verhärteten Fronten zu vermitteln. Bedingung sei aber, dass der US-Branchenriese willens sei, sich auf die Forderungen der Gewerkschaft Verdi und der Beschäftigten zu zubewegen. Amazon sieht laut ihrem Deutschland-Chef Ralf Kleber keinen Anlass für Gespräche.