Karlsruhe. .

Der Name Garzweiler steht für jahrzehntelangen Streit über die Braunkohlenförderung in Nordrhein-Westfalen. Ortschaften müssen den Baggern weichen, Anwohner werden enteignet. Zu Recht, urteilte gestern das Bundesverfassungsgericht. Und provozierte damit sogleich gegensätzliche Reaktionen von SPD und Grünen in NRW.

Die „Versorgung des Marktes mit Rohstoffen“ sei ein Gemeinwohlziel im Sinne des Grundgesetzes, hieß es in zwei Urteilen zum Braunkohlentagebau Garzweiler II (Az.: 1 BvR 3139/08 und 1 BvR 3386/08). Das Gericht wies die Verfassungsbeschwerde eines Anwohners gegen seine Enteignung als unbegründet zurück. Der Umweltverband BUND bekam zwar recht. Bei der Enteignung des Bundes für Umwelt und Naturschutz sei dessen Eigentumsgrundrecht verletzt worden. Konsequenzen hat dies nicht, der BUND erhält seine bereits abgebaggerte Obstwiese nicht zurück.

Anwohner-Rechte dennoch gestärkt

Trotz der überwiegenden Abweisung der Klagen gegen den Energie-Konzern RWE stärkten die Verfassungsrichter die Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener bei Großvorhaben, die mit Umsiedlung und Enteignung verbunden sind. Anwohner müssten bereits gegen die behördliche Zulassung des Vorhabens vorgehen können, hieß es. Bisher können Betroffene erst klagen, wenn die Bagger praktisch vor der Tür stehen.

Der BUND war gegen den Verlust einer Obstbaumwiese vorgegangen, die er 1997 gekauft hatte. Als Grundstückseigentümer erhielt der Umweltverband die Möglichkeit, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Zwangsenteignung seines Grundstücks zu klagen. Anwohner Stephan Pütz aus Erkelenz-Immerath wandte sich dagegen, dass sein Haus 2017 der Braunkohle weichen soll. Die Richter billigten Anwohnern wie Pütz zwar zu, dass ihre Rechte von den Behörden einerseits stärker berücksichtigt werden müssen. „Mit dem Abbau von Braunkohle wird ein gesetzlich hinreichend bestimmtes und ausreichend tragfähiges Gemeinziel umgesetzt“, hieß es andererseits. Die Energieversorgung habe eine überragende Bedeutung. Es sei zuerst die Entscheidung des Bundes und der Länder, mit welchem Energiemix sie die Versorgung sicherstellen wollten.

Der Vorsitzende Richter des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, hob die hohen Anforderungen an Enteignungen von Privatbesitz nach Artikel 14 des Grundgesetzes hervor. Die Maßnahme müsse erforderlich und unverzichtbar sein, um Gemeinwohlziele zu erreichen, die zudem vom Gesetzgeber festgelegt sein müssten. Ein eigenständiges „Recht auf Heimat“, wie es Pütz reklamiert hatte, gewährleiste das Grundgesetz aber nicht.

Streit um Rolle der Braunkohle

Während der Vize-Chef der SPD-Landtagsfraktion, Rainer Schmeltzer, in seiner Reaktion auf die Bedeutung der Braunkohle und deren „wesentlichen Beitrag“ zum Energiemix abhob, gab sich NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) skeptisch. In Zeiten des Klimaschutzes gingen „alle Energiekonzepte“ davon aus, dass sich die Verstromung der klimaschädlichen Braunkohle bis 2030 halbieren wird“. Er habe Zweifel, dass alte Abbau-Planungen noch aktuell sind.

Schmeltzer sagte, die Laufzeiten der Tagebaue reichten zwischen 2035 und 2045, ermöglichten einen jährlichen Abbau von 90 bis 100 Millionen Tonnen. Anpassungen solle es nur entsprechend der steigenden Effizienz der Kraftwerke geben. / Kommentar