Essen. .

Klagen über lange Warteschleifen und schlechte Löhne haben die Call-Center-Betriebe in Verruf gebracht. Harry Wassermann, Vorstandschef von SNT Deutschland, spricht im Interview mit Ulf Meinke offen über das miese Image, erste Firmeninsolvenzen und die Fehler der Branche. SNT zählt in Deutschland mit 3300 Mitarbeitern an sieben Standorten zu den großen Call-Center-Unternehmen. Allein in Essen beschäftigt die Firma 500 Mitarbeiter.

Call-Center werden von vielen Menschen nur noch als lästig empfunden. Kunden klagen über schier endlose Warteschleifen, Beschäftigte über eine schlechte Bezahlung. Muss das sein? Wassermann: Nein, es geht auch anders. Aber richtig ist: Es gibt schwarze Schafe, die unanständig niedrige Löhne zahlen, den Wettbewerb verzerren und das Image der Branche ruinieren. Natürlich stimmt bei diesen Unternehmen meistens auch der Service nicht. Selbst große Unternehmen aus der Branche kämpfen um ihre Existenz. Steckt das Geschäftsmodell Call-Center in der Krise? Die Branche ist nicht gesund. Wir erleben einen Preiskampf, der viel kaputt macht und zu Insolvenzen führt. Ja, die Branche steckt in der Krise. Das bekommen auch wir zu spüren, obwohl SNT schuldenfrei ist und stabiles Wachstum verzeichnet.

Was läuft falsch?

Die Erwartungshaltung, dass Kundenservice am besten gar nichts kosten soll, ist falsch. Die gesamte Branche hat leider daran mitgewirkt, dass solche Erwartungen entstehen konnten. Außerdem regieren in vielen Unternehmen Finanzchefs, die vor allem auf permanente Einsparungen pochen. Es funktioniert einfach nicht, alles immer günstiger haben zu wollen bei gleichzeitigem Service zu jeder Tag- und Nachtzeit. Gute Leistung hat ihren Preis.

Auf andere zu schimpfen ist leicht, auch bei Ihnen im Betrieb gibt es nur wenige Besserverdiener. Ich räume gerne ein: Das Lohngefüge in der gesamten Branche – auch bei uns – entspricht nicht ansatzweise der Komplexität der Arbeit. Was zahlen Sie denn im Schnitt? In Essen erhalten unsere Beschäftigten im Schnitt 8,57 Euro pro Stunde. Unser monatliches Einstiegsgehalt liegt hier bei 1455 Euro brutto. Natürlich gibt es auch Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Üben Sie Druck auf die Beschäftigten im Alltag aus? Der Schuss geht doch sofort nach hinten los. Druck macht die Leute krank – und mein Ziel ist es ja gerade, die Krankenquote zu verringern. Wie viele Mitarbeiter fallen jeden Tag aus? Im Schnitt sind sieben bis acht Prozent der Belegschaft krankgemeldet. Diese Werte wollen wir verbessern. Dass die Ursachen für Krankmeldungen tiefer liegen, haben wir erst erkennen müssen. Es geht um ein gutes Arbeitsklima.

Was machen Sie heute anders? Call-Center müssen nicht hässlich sein. Zu einem guten Arbeitsklima gehört auch, dass es für unsere Mitarbeiter in den Büros Obst, Kaffee, Tee und Wasser kostenlos gibt. Und wer bei uns arbeitet, bekommt ein ­Smartphone gratis. Lassen Sie uns die Perspektive der Anrufer einnehmen. Es kommt vor, dass ein Anrufer 40 oder 50 Minuten in Warteschleifen hängt. Ist das eine Zumutung oder Alltag? Ganz klar eine Zumutung. Ich selbst werde schon nervös, wenn ich länger als zwei Minuten warten muss.