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Hände können sehr beredt sein, besonders wenn der Mensch, dem sie gehorchen, gerade spricht. Die Hände von Jürgen Peters, dem letzten echten Klassenkämpfer an der Spitze der IG Metall, ballten sich gern zur Faust, die nur den erhobenen Zeigefinger freigab. Die Hände von Detlef Wetzel, der am Montag den Vorsitz der mächtigen Industriegewerkschaft übernehmen soll, ruhen in sich, wenn der Siegener spricht, oder sie flankieren das Gesagte flach aufgestellt mit erklärenden, offenen Gesten.

Es ist kein Zufall, dass der letzte dokumentierte Wutausbruch von Wetzel zehn Jahre her ist. Er richtete sich nicht gegen den früheren Klassenfeind, sondern gegen den Feind im eigenen Haus. „Peters muss weg“, polterte der damalige Bevollmächtigte der IG Metall Siegen 2003 so gar nicht nach seiner Art.

In eine tiefe Krise gestürzt

Doch Peters war gerade im Kampf um die 35-Stunden-Woche im Osten mit seinem Betonkopf vor die Wand gerannt und hatte die Gewerkschaft in eine tiefe Krise gestürzt. Wetzel wetterte gegen den „Stalinismus“ und „Autismus“ des „realitätsfernen Ideologen“.

Den Beweis, dass Gewerkschafter mit Pragmatismus und frischen Ideen mehr erreichen als mit roten Fahnen, lieferte Wetzel nach – als Chef der IG Metall in NRW bis 2007 und seither als Stellvertreter von Berthold Huber in der Frankfurter Zentrale.

Der Kampf zwischen Traditionalisten und Modernisierern ist entschieden. Huber und Wetzel stehen für die neue IG Metall, eine, die noch immer Stärke zeigt, wenn die wirtschaftliche Lage hohe Lohnabschlüsse zulässt, der aber in schlechten Zeiten die Rettung von Betrieben und ihren Arbeitsplätzen wichtiger ist.

Die durch Hubers „Pforzheimer Abkommen“ 2004 möglich gewordene Abweichung vom Flächentarif für angeschlagene Betriebe hat Wetzel in NRW hundertfach genutzt. Dafür steckte er seinerzeit viel Kritik ein, doch das Wagnis wurde belohnt: Die allermeisten Betriebe kehrten nach überstandener Krise in den Tarif zurück. Weil Wetzel gleichzeitig die Betriebsräte vor Ort mit Kampagnen wie „Besser statt billiger“ stärkte, stoppte er als erster Bezirkschef den Mitgliederschwund. Seit zwei Jahren wächst die IG Metall nun wieder.

Spätestens seit der Wirtschaftskrise 2008/09 hört auch die christdemokratische Kanzlerin auf die IG Metall. Die Ausweitung der Kurzarbeit wurde von der Regierung Merkel beschlossen; entworfen wurde sie von der Gewerkschaft. Die Betriebe hielten ihre Mitarbeiter statt sie wie in früheren Krisen massenhaft zu entlassen – und starteten im nächsten Aufschwung durch. Die Welt staunte über das deutsche Jobwunder.

Brüder im Feingeiste

Huber und Wetzel sind Brüder im Feingeiste. Der Schwabe geht nun mit 63 in Rente, ihm folgt der Hobbyimker aus dem Siegerland. Der 60-jährige Wetzel wird mutmaßlich auch nur für zwei Jahre bis zum nächsten ordentlichen Gewerkschaftstag 2015 amtieren.

Zeit genug, sich um sein neues Lieblingsthema zu kümmern, die Werkverträge. Das Thema ist kompliziert, zwischen normalen und anrüchigen Werkverträgen zu unterscheiden schwierig, der Zugriff der Gewerkschaft auf die bei Fremdfirmen angestellten Dienstleister begrenzt. Doch es war auch schwierig, an die Leiharbeiter heranzukommen.

Und genau das hat Wetzel geschafft, mit einer jahrelangen Kampagne, die schließlich einen Branchenzuschlag für alle Leiharbeiter der Metallindustrie brachte. Tausende neue Mitglieder sind der Lohn für die IG Metall.