Essen. .
Der RWE-Chef hat die Lektion seines Vorgängers Jürgen Großmann gelernt. Bevor der Niederländer in der Telefonkonferenz ansetzt, die Strategie zur Krisenbewältigung beim Essener Konzern zu erläutern, macht Peter Terium zumindest rhetorisch seinen Frieden mit der Energiewende. „Wir wollen, dass die Energiewende ein Erfolg wird, für uns und unser Land. RWE ist Teil der Lösung“, sagte Terium, wohl wissend, dass das Image des Atom- und Kohle-Dinosauriers an RWE klebt wie Kaugummi.
Es half nichts. Die Grünen machten sogleich eine über die Jahre hinweg verfehlte Konzernpolitik für den einsetzenden personellen Kahlschlag verantwortlich. RWE habe viel zu lange an einem Geschäftsmodell mit Kohle- und Atomkraftwerken festgehalten, die betroffenen Mitarbeiter müssten das nun ausbaden.
In der Tat hat RWE vergleichsweise spät unter Großmann die Tochter für Erneuerbare, RWE Innogy, aufgebaut und insgesamt zu zaghaft investiert. Großmanns Vorgänger haben das Windenergiegeschäft im Inland und auf hoher See verschlafen. Insgesamt, so Beobachter, ist der Konzern zu einseitig auf die riesigen Kohleanlagen ausgerichtet. Noch vor vier Jahren investierte der Konzern Milliarden in neue Kraftwerke auf Basis von Kohle. „Ab 2009“, sagt der Energieexperte und Conenergy-Geschäftsführer Roman Dudenhausen, „war die Wende erkennbar“. An dieser Hypothek trägt RWE schwer und rutscht mit der enormen Verschuldung von 31 Milliarden Euro tief in die Krise.
Was allerdings kaum ein Experte vorhergesehen hat, ist die Welle des Preisverfalls, die nun alle Energieerzeuger mit Kohle- und Gaskraftwerken massiv trifft. „Noch 2011 sind alle Experten davon ausgegangen, dass die Strompreise Richtung 100 Euro je Megawattstunde gehen“, sagt Dudenhausen.
So hat RWE für 2013 noch Stromverkäufe in den Büchern zu 50 Euro je Megawattstunde. Aktuell liegt der Börsenpreis bei 37 Euro. Eine Folge des Überangebots durch die Erneuerbaren Energien. Zu diesem Preis sei ein Kraftwerkspark nicht wirtschaftlich zu betreiben, sagen die Manager. Die interne Faustformel des Grauens: Ein Euro Preisverfall an der Börse schlägt sich mit 200 Millionen Euro weniger RWE-Umsatz nieder. Das heißt auch: Der Preisverfall schlägt in den kommenden Jahren noch viel stärker auf die Ergebnisse durch als bisher. Sparen, sparen, sparen lautet die Devise, selbst die Investitionen kürzt RWE in den kommenden drei Jahren um zwei Milliarden Euro.
Keine Sparte des Konzerns bleibt von den Sparmaßnahmen verschont. Ab 2014 will RWE 2300 Mitarbeiter in den Kraftwerkssparten RWE Generation und Power abbauen, 2400 Mitarbeiter sind vom Umbau der Verwaltungen betroffen, der zum Ziel hat, Querschnittsaufgaben wie Rechnungs- oder Personalwesen aus den einzelnen Gesellschaften herauszuziehen und zu bündeln. Weitere 1400 Mitarbeiter dürften bei dem geplanten Verkauf der Hamburger Tochter RWE Dea das Unternehmen verlassen. Bei der Grünstrom-Tochter Innogy schlagen sich geringere Investitionen nieder: 250 Stellen stehen auf der Streichliste. Insgesamt wird RWE seit 2011 bis Ende 2016 rund 13 000 Stellen abgebaut haben – darunter auch Unternehmensverkäufe.
Dividende aufeinen Euro halbiert
Der Kahlschlag dürfte nun zu einer Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften führen. Zumal das Management wild entschlossen ist, Nullrunden von der Belegschaft einzufordern. Auch von Änderungen bei der Gehaltsstruktur ist die Rede. Alle, Aktionäre, Mitarbeiter und das Management, sollten einen Beitrag leisten, heißt es. Zudem will RWE anders als die Gewerkschaften den Vertrag zum Ausschluss von Kündigungen für alle Mitarbeiter nicht über 2014 hinaus verlängern. Verdi hingegen verlangt bis Ende 2018 eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung. Ziel von RWE ist es, die Mitarbeiter intern über einen gewissen Zeitraum in neue Jobs zu bringen. Sollte das nicht gelingen, werde außerhalb von RWE eine neue Arbeitsstelle gesucht. Angebote zum Ausscheiden über Altersteilzeit gelten für Mitarbeiter bis zum Jahrgang 1960.
Die Ergebniszahlen: Das so genannte nachhaltige Nettoergebnis, das für die künftig auf einen Euro halbierte Dividende ausschlaggebend ist, werde 2013 mit 2,4 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau liegen. Das sei allein einer Milliarden-Rückzahlung für Gaslieferungen durch Gazprom zu verdanken. 2014 werde das Ergebnis auf 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro einbrechen.