Arnsberg. .

Wer für seine Vortragsveranstaltung einen derart sperrigen Titel wählt wie „Nachhaltigkeit braucht Vielfalt - Nutzungskonflikt Mensch und Tier“ braucht sich nicht zu wundern, wenn der Saal bis auf den letzten Platz besetzt ist. Das fünfte Arnsberger Waldforum im Forstlichen Bildungszentrum des Lehr- und Versuchsforstamtes Arnsberger Wald bestach durch einen eher praktischen und einen eher theoretischen Aspekt.

Der praktische zuerst, gleichzeitig die gute Nachricht des Tages: Tierarten, die ausgestorben schienen, sind wieder in den Wäldern Südwestfalens anzutreffen. Möglich macht das die mit dem Naturschutzgedanken einher gehende Verbesserung des Lebensraums. „Wir haben es den Tieren nett gemacht, und diese danken es uns, indem sie in unsere Wälder zurückkehren“, umriss es der sichtlich gerührte Hausherr, Forstdirektor Günter Dame, in seiner Eröffnungsansprache mit einfachen Worten.

Wildkatzen in Ruhe lassen

Um welche Tiere geht es? Vor allem um die Wildkatze, aber auch um den Kolkraben (nicht zu verwechseln mit der auf den Feldern zu findenden Krähe), um den Schwarzstorch, den Uhu, den Sperlings- und den Habichtskauz und sogar vereinzelt um den Luchs, wie Dame aufzählte. Das Problem dabei: „Wir wissen nicht, ob diese Tiere zurückkehren oder ob sie immer schon - von Menschen unbemerkt - da waren“, ergänzt Carsten Arndt vom Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald.

Beispiel Wildkatze: Bis etwa 1950 war sie im Warsteiner Raum nachweisbar, danach viele Jahre nicht mehr und seit den 1990er Jahren wieder. Leicht wird sie verwechselt mit einer verwilderten Hauskatze. Im Arnsberger Wald ist die Art schon seit 1985 wieder heimisch. Arndt, der bei Hirschberg eine Jagd besitzt, hat 2009 die erste Wildkatze selbst gesehen - zu unterscheiden am ehesten durch ihren buschigen und am Ende runden Schwanz mit einem langen schwarzen Endstück. Gesichert ist ihre Existenz durch Genanalysen von Haarproben durch die Senckenberg-Gesellschaft, die neun verschiedene Individuen ermittelt hat, so Arndt.

Der Experte rät Waldspaziergängern, Katzen in Ruhe zu lassen und nicht mit nach Hause zu nehmen: „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es eine Wildkatze ist. Die ist nie zahm zu kriegen.“ Auf ein paar Dutzend Exemplare schätzt Arndt ihre Zahl im Arnsberger Wald, auch im Raum Marsberg/Bredelar und Paderborn ist ihr Vorkommen gesichert. Die Theorie, warum sich Wildkatzen in der Region neu angesiedelt haben, geht so: Der Orkan Kyrill hat 2007 Freiflächen geschaffen, die zunächst vergrasen, bevor neue Bäume wachsen - idealer Lebensraum für Mäuse. Eine Wildkatze vertilgt 2500 Mäuse im Jahr, das gilt im übrigen auch für Füchse. Wichtig also für das Ökosystem.

Im eher theoretischen, aber praktisch nie langweiligen Teil der Fachtagung beschäftigte sich Forstdirektor Dr. Joachim Hamberger von der Führungsakademie Landshut mit dem viel strapazierten Begriff Nachhaltigkeit, der offenbar auf der UN-Umweltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro wiederentdeckt wurde und seitdem weit über den Umwelt- und Forstbereich hinaus breiten sprachlichen Raum eingenommen hat - besonders in den Medien.

Hamberger zitierte genüsslich eine „nachhaltige Entschuldigung“, nachdem ein Bestatter zwei Leichen vertauscht hatte und eine „nachhaltige Erinnerung“, als eine junge Frau nach der ersten Verabredung schwanger geworden war. Dabei bedeutet Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft nur, dass nur so viel Holz geschlagen werden darf wie nachwächst. Nachzulesen bereits beim sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz in seinem 1713 verfassten Hauptwerk „Silvicultura oeconomica“. Was den früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zu der sarkastischen Bemerkung veranlasst habe: „Hätten die alten Römer etwas von Nachhaltigkeit verstanden, wäre Italien heute ein grünes Land.“

Artenvielfalt schwindet

Leider ist der Begriff in der Tierwelt nicht anwendbar. So beklagte Ralph Müller-Schallenberg, Präsident des Jagdverbandes NRW, aus seiner Sicht das Schwinden der Artenvielfalt in den Feldfluren. „Wo sind die Hasen hin, wo die Fasane“, fragte er. Allein 40 Vogelarten stünden auf der roten Liste. Überall sei Rückgang, viele Jagden würden bereits abgesagt. Wichtig sei es jetzt, neuen Lebensraum für bedrohte Tierarten zu schaffen.

Wildkatze, Kolkrabe, Schwarzstorch, Uhu und Kauz kehren zurück, dafür sinkt die Zahl von Hasen und Fasanen - der Kreis schließt sich. Eine runde Veranstaltung.