Essen. . Die Lebensmittel-Kette Edeka testet in einigen Filialen den Verkauf von krummen Gurken und Äpfeln mit Schönheitsfehlern. Denn rund zehn Prozent des hierzulande erzeugten Obsts und Gemüses kommt nie in den Handel, weil es EU-Normen und Ansprüchen der Verbraucher nicht genügt.

Bis zu zehn Prozent des Obsts und Gemüses aus Deutschland gelangen nicht in den Handel. Denn es weist Schönheitsfehler auf. Die Lebensmittelvernichtung soll nun ein Ende haben. Die Handelsketten Edeka, Rewe und Netto testen in einigen Filialen, wie Verbraucher auf krumme Gurken und angedötschte Äpfel zu günstigeren Preisen reagieren. Das Ziel ist, Lebensmittelverschwendung einzudämmen.

So hässlich sehen die Produkte gar nicht aus, die Edeka Paschmann in Düsseldorf unter der Überschrift „Keiner ist perfekt“ vier Wochen lang anbietet: Die Gurken sind nur leicht gekrümmt, einige etwas verschrumpelt. Manche Kartoffeln haben eine schuppige Schale, eine hat die Form eines gelben Herzchens. Die Karotten im Beutel sind unterschiedlich groß. Druckstellen an den Äpfeln gibt es kaum, und die Zwiebeln unterscheiden sich kaum von der A-Ware. Filialleiter Michael Brück ist selbst von der B-Ware überrascht: „Wir haben mit viel größeren optischen Mängeln gerechnet.“

Aber schon diese kleinen Mängel verwehren Obst und Gemüse in der Regel den Weg in die Supermärkte. „Früher durfte Ware, wie Edeka sie derzeit anbietet, gar nicht angeboten werden, weil Vermarktungs-Normen der Europäischen Union das untersagten“, erklärt Frank Waskow, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale NRW. Die Gurken-Verordnung ist dafür ein berühmtes Beispiel. „Für viele Obst- und Gemüse-Sorten wurden die Einschränkungen aber schon vor Jahren aufgehoben“, so Waskow.

Kaufen nach Aussehen

Dennoch landet die B-Ware zumeist im Tierfutter, in der Konserve oder wird auf dem Acker einfach untergepflügt. Manche Landwirte verkaufen sie in ihren Hofläden. Denn was nicht so prächtig aussieht, muss nicht schlecht sein. „Der Kunde kauft Obst und Gemüse aber nach Aussehen“, sagt Heinrich Drepper. Der Landwirt aus Iserlohn hat sich auf den Anbau von Kohlköpfen, Brokkoli und Blumenkohl spezialisiert und beliefert große Handelsketten. „Brokkoli muss grün sein und Blumenkohl weiß. Diese Grundsätze im Bewusstsein der Verbraucher kann man nicht so einfach über den Haufen werfen“, meint der Landwirt mit einem Augenzwinkern.

Zumal der mächtige Handel ihm klare Vorgaben mache, was er zu liefern hat: pralle Blumenkohl-Köpfe, Wirsing, Weiß- und Rotkohl, der pro Stück 2,5 Kilogramm auf die Waage bringt. Drepper hat sich darauf eingestellt und Hybrid-Sorten gezüchtet, die den Anforderungen entsprechen. „Große Unterschiede fallen dadurch gar nicht an“, sagt er. Es sei denn, das Wetter spielt nicht mit und der Brokkoli fault von innen. „Den kann man dann aber gar nicht mehr verkaufen“, erklärt der Landwirt.

Handel macht Vorgaben

Für ihn als Erzeuger lohne es sich auch nicht, kleinen Blumenkohl anzubieten. Bei gleichbleibenden Verpackungs- und Frachtkosten zahle ihm der Einzelhandel dafür nur zehn Cent, während es für einen Norm-Blumenkohl 50 bis 60 Cent gebe.

Bei den Kunden im Düsseldorfer Edeka-Markt kommt die B-Ware während der ersten Test-Tage allerdings ganz gut an. Der Preis scheint zu locken: Leicht verschrumpelte Möhren kosten 59 statt 99 Cent pro Kilogramm. Und bei krummen Gurken sparen die Verbraucher satte 60 Prozent. „Ich habe gedacht, das wären normale Karotten, man sieht den Unterschied ja kaum“, wundert sich Kunde Günter Karen-Jungen.

Gute Erfahrungen in Düsseldorf

20 Kilogramm Gurken und 24 Pakete Möhren mit Schönheitsfehlern verkauft Filialleiter Michael Brück pro Tag. „Die Kunden fragen bereits gezielt danach.“ Mit einer Kundenbefragung will Edeka nun herausfinden, ob die krummen Produkte dauerhaft ins Sortiment kommen. Gute Erfahrungen hat der Discounter Netto gemacht, der „individuelle“ Äpfel und Möhren in 500 süddeutschen Filialen verkauft hatte.

An einen neuen Megatrend wie Bio oder regionale Produkte glaubt Peter Muß, Geschäftsführer des Provinzialverbands Rheinischer Obst- und Gemüsebauern, indes nicht. „Insbesondere krumme Gurken sind ein großes Transportproblem. Auch in den Supermärkten brauchen sie mehr Platz.“ Möhren mit mehreren Wurzeln seien zudem schwer zu schälen und produzierten mehr Abfall als die A-Ware.