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Das gute alte Ehegattensplitting – „volkswirtschaftlichen Unsinn“ nannte es NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im Streit mit CSU-General Alexander Dobrindt. Familienpolitik dürfe nicht volkswirtschaftlichen Interessen folgen, konterte der Bayer und räumte damit indirekt ein, dass ihm der ökonomische Sinn oder Unsinn des Splittings eins ist. Es geht um Privilegien für die verfassungsrechtlich geschützte Ehe, die vor allem Alleinverdiener-Haushalte begünstigen. Und die sind durch diverse Urteile des Bundesverfassungsgerichts zementiert. Dennoch will die SPD daran rütteln. Geht das überhaupt?
Der Blick zurück dürfte manche verblüffen: Schon die Einführung des Ehegattensplittings 1958 geschah auf Druck des Verfassungsgerichts – allerdings seinerzeit, um Frauen das Arbeiten zu ermöglichen. Bis dahin zahlten Ehepaare mehr Steuern als Nichtverheiratete, weil sie zwar zusammen veranlagt, ihre Einkommen aber als Gesamtsumme voll versteuert wurden. Damit traf sie die Progression stärker als unverheiratete Partner. Die Verfassungsrichter kassierten diese Benachteiligung mit der Begründung, der Staat dürfe Frauen nicht von „marktwirtschaftlicher Tätigkeit zurückzuhalten“. Es lohnte sich für sie bis dahin kaum zu arbeiten, weil von dem Lohn sehr wenig übrig blieb.
Die Benachteiligung der Frauen
Die Regierung Adenauer schaffte aber nicht einfach den Nachteil ab, sondern wandelte ihn in einen Vorteil um: Das gemeinsame Einkommen wurde halbiert, dann der Steuersatz ermittelt und danach die Steuerschuld verdoppelt. Verdienen beide gleich viel, ist der Effekt gleich null. Ironischerweise förderte das die Alleinverdiener-Ehe erst recht. Nun lohnte sich das Arbeiten für die Hausfrau nicht mehr, weil vom Lohn des Mannes umso mehr übrig blieb, je weniger sie verdiente. Die Benachteiligung der Ehe war beseitigt, die Benachteiligung der Frauen nicht. Letzteres bleibt bis heute eine sozialpolitische Betrachtung ohne rechtliche Bewandtnis.
Ein Ernährer in vier von zehn Ehen
Die Wirklichkeit sah in den Jahrzehnten darauf freilich anders aus. Im Vergleich etwa zu Schweden, das sein Ehegattensplitting in den 70er-Jahren abschaffte, stieg die Erwerbstätigkeit der Frauen in Deutschland nur sehr langsam. Noch heute gibt es in vier von zehn Ehen nur einen Ernährer, sie kassieren wegen des größeren Steuervorteils zwei Drittel von den gut 20 Milliarden Euro, die der Fiskus jedes Jahr Ehepaaren erlässt. Deshalb steht das Splitting zunehmend in der Kritik. Die SPD will es abschaffen und die Partner einzeln besteuern – wie die Schweden.
Doch wurde das Splitting in seiner alten Form vom Bundesverfassungsgericht mehrfach gestärkt, so 1982, als es betonte, Eheleute bildeten eine Gemeinschaft, die sich ihre Einkünfte und auch die Ausgaben zur Hälfte teilt – unabhängig davon, wer von beiden wie viel verdient. Deshalb sei das Splitting verfassungsrechtlich geboten.
Neben der Steuergerechtigkeit geht es aber längst auch um die Frage, ob es sich um eine Familienleistung handelt, denn die ginge mittlerweile ebenfalls an der Realität vorbei. Erstens, weil in Westdeutschland heute zwei von drei Kindern unehelich geboren werden. Zweitens, weil rund 40 Prozent der Ehepaare gar keine Kinder im Haus haben. Rechtlich ist das nicht relevant, weil das Splitting nicht an Kinder geknüpft wurde. Faktisch war es aber 1958 als Familienförderung gedacht, Adenauers legendärem Satz folgend: „Kinder kriegen die Leute immer.“ Paul Kirchhof, der 1982 das Karlsruher Urteil prägte, sah das noch 2006 so, als er sagte: „Die Ehe ist von Verfassung wegen die potenzielle Elternschaft. Die Ehegatten kriegen die Kinder.“ Nun ja, laut Statistik aber nur noch jedes dritte.
Wenn aber unsere Verfassungsrichter das Ehegattensplitting in Stein gemeißelt haben, wofür dann die ganze Aufregung?
Die SPD glaubt einen Ausweg gefunden zu haben. Ihre „Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug“ ist weniger radikal als sie klingt, sie ist im Grunde nichts anderes als ein begrenztes Splitting. Zwar werden beide Partner getrennt veranlagt, doch einer kann dem anderen bis zu 13 805 Euro als Unterhalt übertragen, die er weniger und der Partner mehr versteuern muss. Das ist der Betrag, den heute geschiedene Eheleute übertragen können.
Dann muss Karlsruhe entscheiden
In diesem Modell könnten beide als Paar bis zu 5100 Euro im Jahr an Steuern sparen, während das klassische Ehegattensplitting in einem Alleinverdiener-Haushalt mit 100 000 Euro Jahreseinkommen bis zu 8000 Euro spart. Der Splitting-Gedanke bliebe grundsätzlich erhalten. Dem Kirchhofschen Grundsatz, dass Ehepartner immer hälftig teilen, würde dies aber nicht gerecht. Wie ehern er noch ist, müsste im Ernstfall erneut Karlsruhe entscheiden.