Berlin. . Pflege zuhause ist bei weitem nicht nur Sache der Frauen. Eine Studie belegt, dass jeder dritte Pflegende inzwischen männlich ist. Danach nutzen Männer ihre Berufserfahrung, um sich in die neue Rolle einzufinden. Frauen kümmern sich eher aus Pflichtgefühl um ihre Partner. Bei Männern ist es Liebe, so die Studie.

Pflege ist Frauensache? Der Satz stimmt nicht mehr. In der häuslichen Pflege ist heute jeder dritte Pflegende ein Mann. Bei den über 60-Jährigen ist der Anteil sogar noch höher. Hunderttausende betagte Ehemänner pflegen ihre Frauen – und gehen dabei eigene Wege, wie eine neue Studie zeigt: Senioren pflegen oft einfallsreich, fürsorglich und mit viel männlichem Selbstbewusstsein.

Ein alter Ingenieur rüstet in Eigenregie den Rollstuhl seiner schwerbehinderten Frau um, weil er sie beim Spazierenfahren ansehen will. Ein ehemaliger Hobby-Pilot stellt einen Flugsimulator ans Bett seiner gelähmten Frau und unternimmt mit ihr wie früher Rundflüge über Deutschland. Ein Schreiner baut für seine demenzkranke Frau ein Spezialbett mit Massagebank. Keine Spielerei, sondern kluge Selbsthilfe: Viele Senioren nutzen ihre Berufserfahrung, um die neue Rolle als Pfleger zu schultern.

Meist pflegen Rentner

Die meisten pflegenden Männer sind Rentner – doch auch bei den Jüngeren hat sich der Anteil in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Allerdings erreichen die jungen Männer noch lange nicht das Niveau der gleichaltrigen Frauen. „Söhne im berufsfähigen Alter, die ein Elternteil pflegen, sind leider noch ein Randphänomen“, beklagt der Frankfurter Soziologe Manfred Langehennig. Bei den über 70-Jährigen dagegen gibt es mehr ältere Männer, die ihre Partnerin pflegen, als umgekehrt. Eine Zahl, die selbst Pflegeexperten erstaunt.

Das Phänomen hat verschiedene Gründe. Der wichtigste: Frauen haben eine höhere Lebenserwartung. Ältere Männer sind deswegen seltener verwitwet als ältere Frauen – und stehen deswegen statistisch öfter vor der Entscheidung, ihre Frau selbst zu pflegen. Das führt laut GEK-Pflegereport dazu, dass die Pflegetätigkeit bei Männern bis zu einem Alter von 80 bis 84 Jahren stetig zunimmt, während sie bei den Frauen bereits ab Mitte 60 rapide abnimmt.

Männer pflegen anders

Manfred Langehennig hat für seine Studie „Männer in der Angehörigenpflege“ (Beltz Verlag) etliche Fälle untersucht. Das Ergebnis: Männer pflegen nicht nur öfter als vermutet, sondern auch anders. Im Gegensatz zu Frauen fühlen sich Männer laut Studie freier in ihrer Entscheidung. Sie könnten die Pflegetätigkeit leichter ablehnen, sie müssten anders als Frauen deswegen kaum Kritik fürchten. In Interviews kam heraus: Die meisten Männer pflegen, weil sie ihre Frauen lieben. Ehefrauen fühlten sich dagegen oft zur Pflege verpflichtet – egal, wie gut die Beziehung zu ihrem Mann war.

Unterschiede gibt es auch in der Herangehensweise: Viele pflegende Männer setzen auf Techniken, Fertigkeiten und Abläufe aus ihrem Arbeitsleben, um mit der neuen Rolle klarzukommen. Sie machen Checklisten und Zeitpläne, sie nehmen sich aber auch Auszeiten zur Erholung und für Hobbys.

Ehefrauen klagen über Stress

Störende und verunsichernde Gefühle, Scham, Ekel oder Wut kennen sie natürlich auch. Langehennig hat beobachtet, wie sie damit umgehen: Sie klammern sich an technische Fragen und retten sich in möglichst sachliche, effektive Problemlösungen, wie sie es aus dem Berufsleben gewöhnt sind. Statt mit der vermeintlich unmännlichen Rolle als Pfleger zu fremdeln, fühlen sie sich so als „richtiger Mann“, der seiner Aufgabe gewachsen ist und mit Dankbarkeit rechnen kann. Das scheint zu funktionieren: Trotz hoher objektiver Belastung „äußern unsere älteren Männer durchweg eine hohe Lebenszufriedenheit“, so Langehennig. Pflegende Ehefrauen dagegen klagen häufiger über Stress und Belastung – schon deswegen, weil ihre Männer mit der neuen Hilflosigkeit oft schlecht umgehen können.