Duisburg. .

Jürgen Dzudzek und Kenan Ilhan verschicken dieser Tage Eisenbahnschienen mit der Post – zentimeterbreite Stücke, die sich gerade noch so transportieren lassen. „Sie halten möglicherweise eines der letzten Stücke Eisenbahnschiene aus deutscher Produktion in den Händen“, steht im Begleitschreiben. Es wirkt wie ein verzweifelter Versuch, doch noch die Schließung des Schienenwerks in Duisburg zu verhindern. Zum Jahresende will der österreichische Konzern Voestalpine das letzte deutsche Schienenwerk dicht machen. Und zunehmend rückt in den Blickpunkt, dass nicht nur die Beschäftigten, sondern vermutlich auch Steuerzahler und Bahnkunden einen Preis für die Abwicklung zahlen.

Der Chef der IG Metall in NRW, Knut Giesler, warnt eindringlich vor weitreichenden Folgen einer Werksschließung. „Es ist zu befürchten, dass die Schienenpreise deutlich steigen werden, da es nicht mehr ausreichend Wettbewerb in der Branche gibt, wenn das letzte deutsche Schienenwerk schließt“, sagte Giesler dieser Zeitung. „Die Kosten tragen am Ende die deutschen Steuerzahler und die Bahnkunden.“

Bleibt es beim Schließungsbeschluss, kommen die Schienen für die Deutsche Bahn oder kommunale Verkehrsbetriebe in Zukunft aus Spanien, Polen, Österreich, Großbritannien, Tschechien und Italien. „In den nächsten Jahren müssen Hunderte Millionen Euro ins deutsche Schienennetz investiert werden“, sagt Giesler voraus. „Diese Gelder fließen komplett ins Ausland, wenn es in Deutschland keine Produktion mehr gibt.“

Das Duisburger Schienenwerk, das heute unter dem Kürzel TSTG firmiert, wurde im Jahr 1894 von August Thyssen gebaut und gehörte viele Jahre lang zum heutigen Thyssen-Krupp-Konzern. 2001 übernahm der österreichische Konzern Voestalpine den Betrieb, der aktuell rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. Konzernchef Wolfgang Eder betonte unlängst, er sehe keine sinnvolle Alternative zur Werksschließung. „Es hat keinen Sinn, die Menschen hinzuhalten, hinzuhalten, hinzuhalten“, sagte Eder.

Die Lage in dem deutschen Werk sei besonders schwierig, betonte Voestalpine. Den Stahl, der in Duisburg verarbeitet werde, liefere schon seit geraumer Zeit Arcelor-Mittal. Mittlerweile sei der Stahlkonzern aber im Geschäft mit Schienen einer der größten Konkurrenten von Voestalpine. Die IG Metall verweist dagegen auf Gutachten, die TSTG eine gute wirtschaftliche Perspektive bescheinigen. „Die drohende Schließung berührt grundsätzliche Fragen von bundesweiter Bedeutung“, sagte der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Giesler. Das Duisburger Werk stellt die Schienen für die ICE-Schnellfahrstrecken der Deutschen Bahn her. Voestalpine setzt auf Zerstören statt Verkaufen“, sagte Giesler. „Diese Strategie ist brandgefährlich für den Standort Deutschland.“