Rom. .

Die Festung öffnet sich. Aus ihrem spätmittelalterlichen Wehrturm ist die Vatikanbank ins Internet getreten. Das „Institut für Werke der Religion“ (IOR) präsentiert sich der Welt auf einer Seite von blütenweißer Eleganz, ohne Schnickschnack, ohne Geheimniskrämerei. Und auf einmal, das war noch nie da, steht man selbst mittendrin: in der kreisrunden, schmucklosen Schalterhalle, in dem Bollwerk aus dem 15. Jahrhundert. Der Pförtner wundert sich nicht einmal, wenn man ihn nach dem Weg zur Chefetage fragt. Wortlos zeigt er auf den Lift.

Zu rigoroser Transparenz hat sich das IOR entschlossen, seit der Deutsche Ernst von Freyberg im Februar dort Präsident geworden ist. Die Öffentlichkeitsarbeit hat der 55-Jährige in Umgehung der vatikanischen Dienstwege auch gleich selbst in die Hand genommen und eine Münchner PR-Agentur angeheuert, die nun den Kontakt zu Journalisten pflegt.

Von Freyberg führt die Geschäfte

Seit Anfang Juli – im Gefolge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen – die beiden IOR-Geschäftsführer, Paolo Cipriani und Massimo Tulli, zurückgetreten sind, führt von Freyberg auch die operativen Tätigkeiten des päpstlichen Geldinstituts. Und trotz der grandiosen Aussicht auf den Petersplatz ist der Presidente aus seinem Büro ausgezogen. Dort arbeiten jetzt an die 20 junge Finanzdetektive. Sie kommen von der US-Firma Promontory, die auf Unternehmensberatung und Bekämpfung von Geldwäsche spezialisiert ist. Bis Jahresende wollen sie alle 18 900 Konten des IOR durchleuchtet haben: Gehören sie tatsächlich den Klerikern, Ordensgemeinschaften oder Vatikanbediensteten, die als Inhaber eingetragen sind – oder verstecken sich dahinter irgendwelche Leute, die alles andere als fromme Interessen haben? Gibt es dubiose Finanzbewegungen?

Doch heißt es nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, wenn man einen Koloss wie Promontory auf ein Geldinstitut ansetzt, das mit 7,1 Milliarden Euro verwalteten Vermögens (2012) kleiner ist als manch deutsche Kreissparkasse? Gewiss nicht, sagen die freundlichen Herren von der PR-Agentur: Beim weltweiten „Kampf gegen die Geldwäsche und die Finanzierung des internationalen Terrorismus“, dem sich der Vatikan nun anschließen will, „kann keine Kanone groß genug sein“. Zudem könnte der Hilferuf an Promontory ja auch ein genialer Einfall gewesen sein: Wer einmal deren Prüfung überstanden hat, der hat vor der Weltöffentlichkeit mit Sicherheit eine weiße Weste.

Auf dem Tisch der IOR-Presseleute liegt ein hundertseitiger Bericht, den Journalisten vorerst nur von außen zu sehen bekommen: Die Promontory-Untersuchungen zu Nunzio Scarano. Der Monsignore hatte Ende Juni seinen Arbeitsplatz in der Buchhaltung der Vatikanischen Güterverwaltung mit einer Zelle im römischen Gefängnis „Zur Himmelskönigin“ („Regina Coeli“) tauschen müssen. Italienische Staatsanwälte beschuldigen ihn des Schwarzgeldschmuggels. Für einen neapolitanischen Reeder – von dem er für ungeklärte Gegenleistungen auch noch eine Art Gehalt bezog – soll der Priester versucht haben, mehr als 20 Millionen Euro illegales Bargeld aus der Schweiz zu holen; darüber hinaus habe er seine gehobene Stellung im Vatikan für krumme Kumpel-Geschäfte über das IOR genutzt.

Gesamtumbau des Finanzwesens

Im Umfeld dieses Falles und im päpstlichen Erschrecken darüber, dass so etwas im eigenen Hause immer noch möglich war, passierten dann gleich mehrere wegweisende Dinge: Mit handschriftlichem Erlass – „So haben Wir beschlossen...“ – setzte Papst Franziskus am 24. Juni einen ausschließlich ihm selbst zugeordneten Untersuchungsausschuss zum IOR ein und entmachtete damit faktisch die fünfköpfige Kardinalskommission, die das Geldinstitut beaufsichtigen sollte. Der Rücktritt der IOR-Chefs Cipriani und Tulli, auch wenn ihnen Papst und Staatsanwaltschaft persönlich offenbar nichts vorwerfen, öffnete eine Woche danach den Weg für die operative Führung durch Ernst von Freyberg und die Einsetzung eines vatikanfernen, obersten „Risiko-Prüfers“. Im nächsten Erlass berief der Papst am 18. Juli ein achtköpfiges Expertengremium zum Gesamtumbau der vatikanischen Finanz- und Wirtschaftswelt, welchem das IOR – die Sache bleibt vorerst offen – eines Tages auch zum Opfer fallen könnte. Und während er in dieser Runde nur vatikan-externe Personen versammelte, auch keine Priester oder Bischöfe, schob Franziskus am 8. August eine „Kommission zur Finanzsicherheit“ hinterher, in welcher er die zuständigen Kurienchefs an einen Tisch mit Vatikan-Gendarmerie und Finanzaufsicht zwingt.

Dieser von Benedikt XVI. begründeten Vatikanischen Finanzaufsicht (AIF) unter Führung des renommierten Schweizer Antigeldwäsche-Spezialisten René Brülhart gelang es im selben Zeitraum, Frieden mit der Italienischen Nationalbank zu schließen. Im Memorandum vom 26. Juli verpflichten sich beide Seiten zum vereinten Kampf gegen Geldwäsche und zum Austausch einschlägiger Informationen – im Fall des inhaftierten Monsignore Scarano konnten sie passenderweise gleich damit beginnen. Vor einer Woche hat Papst Franziskus die Befugnisse der AIF auch noch über die einer Melde- und Registrierstelle für Geldwäschefälle erweitert – sie kann nun auch aktiv einschreiten und vorbeugend tätig werden, so umfassend wie die deutsche Bankenaufsicht BaFin und so stark wie im Vatikan bisher nur der Papst.

Dann bleibt noch ein großer Brocken: Die APSA, die Vatikanische Güterverwaltung, in der Don Scarano gearbeitet hat. Da geht es nicht nur um kunsthistorisch wertvolle und auf dem Wohnungsmarkt heiß begehrte Immobilien, da geht es auch um die Anlageformen eines Kapitalvermögens von nominell 680 Millionen Euro. In den Beratergremien der APSA sitzen bisher zahlreiche Vertreter des römisch-hauptstädtischen Finanzklüngels, untereinander verbandelt und manche Familie – unhinterfragt – schon in zweiter oder gar dritter Generation. „Der Vatikan ist denen ausgeliefert wie mittelalterliche Päpste dem römischen Stadtadel“, meint ein langjähriger Beobachter, der seinen Namen nicht genannt haben will: „Spätestens wenn Franziskus in dieses Wespennest sticht, gibt’s Ärger.“