Eberswalde/Olfen. Wie geht es Schweinen, Rindern und Geflügel in der landwirtschaftlichen Intensivtierhaltung? Die Bundestagsfraktion der Grünen wollte es wissen und bat einen Agrar-Wissenschaftler um eine Analyse. Das Ergebnis: Viele Nutztiere müssen während ihres kurzen Lebens leiden.
Morgens ein Schinken-Brötchen, mittags eine Currywurst in der Kantine, abends ein Leberwurst-Brot – die Deutschen sind große Fleisch- und Wurst-Esser. Die Landwirte sollen die starke Nachfrage befriedigen – zu möglichst günstigen Preisen. Nur 15,6 Prozent ihres Einkommens geben die Bundesbürger für Lebensmittel aus, hieß es von der Europäischen Zentralbank im April.
Viele Bauern stehen unter einem „Kostendruck“ und mit ihren Betrieben vor der Alternative „wachsen oder weichen“. Massentierhaltung erscheint oft als der einzige Weg zur Existenz-Sicherung. Was dies für die betroffenen Nutztiere bedeutet, wollte die Bundestagsfraktion der Grünen wissen und beauftragte den Agrar-Wissenschaftler Professor Bernhard Hörning mit einer Studie.
Hähnchen und Puten können nicht mehr normal laufen
Die hat der Tierschutz-Experte von der Hochschule Eberswalde (Brandenburg) jetzt vorgelegt. Mit Ergebnissen, die noch einmal nachdrücklich belegen, dass Schweine, Rinder und Geflügel während ihres kurzen Lebens in einer landwirtschaftlichen Intensivtierhaltung oftmals leiden.
„Qualzucht bei Nutztieren“ hat Hörning seine Analyse betitelt und stellt häufig „leistungsbedingte Gesundheitsstörungen“ bei den Tieren fest. Zu den wichtigsten „gehören etwa bei Milchkühen Fruchtbarkeits-Störungen, Euter- und Klauen-Entzündungen, bei Sauen Fruchtbarkeits-Störungen und Lahmheiten. Bei schnell wachsenden Mastschweinen und Mastgeflügel, wie Hähnchen und Puten, Herz-Kreislauf-Probleme und Beinschäden, etwa Gelenk-Erkrankungen.“
Hähnchen und Puten könnten nicht mehr normal laufen, so der Professor. Schuld sei ihre angezüchtete übergroße Brust-Muskulatur. 55 bis 90 Prozent der Masthühner und Puten leiden seiner Ansicht nach unter „oft schmerzhaften Gelenk-Erkrankungen“. Ebenso wie Mastschweine. „Das jugendliche Skelett kann den enormen Fleischzuwachs der Masttiere nicht ausreichend tragen.“ Nicht zuletzt zeigten Tiere in Massentierhaltung Verhaltensstörungen.
Auch Handel und Verbraucher sorgen für Kostendruck bei Fleisch
Der Wissenschaftler gibt hierfür nicht allein den Bauern die Schuld. Auch Handel und Verbraucher hätten ihren Anteil an der „Misere“. In der Landwirtschaft herrsche seit Jahrzehnten ein starker „Kostendruck“. Die Preise, die die Landwirte für ihre Produkte bekommen, „stagnierten oder fielen sogar langfristig“. Daher versuchten Bauern, ihr Einkommen über eine „höhere Produktmenge“ zu halten.
Der Professor weist darauf hin, dass der Paragraf 11b des deutschen Tierschutzgesetzes sogenannte Qualzuchten verbiete. Hörnings Kritik: „Dieser Paragraf ist jedoch noch nie vollzogen worden, da der Begriff Qualzucht – anders als bei Heimtieren – bei Nutztieren vom Landwirtschaftsministerium nicht präzisiert wurde.“ Der Experte fordert: „Die Politik sollte hier aktiv werden.“
„Die industrielle Landwirtschaft züchtet kranke Tiere“
„Die industrielle Landwirtschaft züchtet kranke Tiere. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher wüssten, wie Tiere durch ihre Zucht leiden müssen, würde vielen der Appetit auf Fleisch vergehen“, betont Friedrich Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Millionen Nutztiere würden „ausschließlich auf Hochleistung“ gezüchtet. Viele Puten könnten sich kurz vor dem Schlachten kaum noch auf den Beinen halten, „weil ihr Skelett die eigenen Fleischmassen nicht mehr trägt. Schmerzmittel werden dann zum Futter gegeben“, so Ostendorff. „Das ist einfach nur noch abartig!“
Landwirt Tobias Mehring aus Olfen im Münsterland lebt von Mastschweinen und Hühnern. Vor fünf Jahren übernahm der 41-Jährige den 100-Hektar-Betrieb seines Vaters. Bis 2012 standen bei ihm noch 1350 Mastschweine und 600 Ferkel im Stall. Im Oktober entschied sich der Bauer, seinen Hof umzustellen, wurde Mitglied bei „Bioland“, einem der führenden ökologischen Anbauverbände.
Bauer Mehring stellt auf „Bio“ um: „Den Tieren geht es einfach besser“
In Zukunft wird Mehring nur noch rund 230 mit Stroh eingestreute Mastplätze für seine Bio-Schweine haben. Werden die Tiere krank, werden sie jetzt „überwiegend mit homöopathischen Mitteln behandelt“, erklärt der Bauer. Nur ein Antibiotika-Einsatz in einem Bio-Schweine-Leben sei erlaubt, sonst sei das Fleisch nicht mehr „Bio“.
Früher haben sich die Schweine des Münsterländers aufgrund der räumlichen Enge auch mal die Schwänze und Ohren angeknabbert, bis es blutete. „Weil sie jetzt mehr Platz haben, können sie sich auch aus dem Weg gehen.“ Jedes Tier stand früher auf 0,7 bis 0,8 Quadratmetern. „Und die waren ein Leben lang im Stall, nie an der Sonne, was der Stall jetzt zulässt.“ Tobias Mehring und seine Frau Heike haben sich gegen die großen Mastanlagen entschieden. „Den Tieren geht es einfach besser. Auch mir ist dabei wirklich wohler“, gibt der Landwirt zu.