Wolfsburg. Nun schickt auch Europas größter Autobauer, Volkswagen, seine Mitarbeiter in Kurzarbeit. Am Montag begann für 60.000 Mitarbeiter eine Zwangspause. Die Krise erfasst zunehmend auch andere Branchen. Mit der Baumarktkette Praktiker will zum ersten Mal ein Handelskonzern Kurzarbeit anmelden.
Beim größten europäischen Autobauer VW hat für rund 60.000 der 92.000 deutschen Mitarbeiter die fünftägige Kurzarbeit begonnen. Ausgenommen sind Forschung und Entwicklung sowie Teile der Komponentenwerke, wie Volkswagen am Montag mitteilte. Allein im Hauptwerk Wolfsburg werden wegen der gestoppten Bänder nach Schätzungen 15.000 Autos weniger produziert. Über weitere Kurzarbeit gebe es keine Beschlüsse, sagte ein Sprecher.
Die Überstundenkonten sind nach Angaben des Betriebsrates weitestgehend abgebaut. Die betroffenen VW-Arbeiter müssten aber keine Nachteile hinnehmen, weil VW das Kurzarbeitergeld weitgehend aufstocke. Grund für die Kurzarbeit ist ein drastischer Einbruch der Nachfrage. VW rechnet für 2009 mit einem Minus beim Absatz von 10 bis 12 Prozent.
Bis zu 8000 Anträge auf Kurzarbeit erwartet
Mit der Kurzarbeit reiht sich Volkswagen in eine lange Reihe von Industrieunternehmen ein, die wegen der Konjunkturflaute die Produktion drosseln. Die Bundesanstalt für Arbeit geht nach einem Bericht für das erste Quartal 2009 von rund 700.000 bis 800.000 Erstanträgen auf Kurzarbeitergeld aus. Allein im Januar seien etwa 290.000 Anträge gestellt worden.
Zurzeit befinden sich beispielweise 50.000 Mercedes-Beschäftigte in Deutschland in Kurzarbeit. Audi dehnt die Kurzarbeit für 25.000 Mitarbeiter um eine Woche aus. BMW hat 27.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Zulieferer Continental hatte bereits im Januar 7.000 der 47.000 deutschen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und kündigte eine Ausweitung an. Der angeschlagene Zulieferer Schaeffler meldete für 20.000 Mitarbeiter den Lohnersatz an. Siemens rechnet bis April mit 7.400 Mitarbeitern in Kurzarbeit. Bei der Lufthansa-Frachttochter gilt ab nächster Woche Kurzarbeit für rund 2.600 Mitarbeiter.
Kurzarbeit erstmals auch im Einzelhandel
Auch die Baumarktkette Praktiker bereitet als erster großer Einzelhandelskonzern in Deutschland die Einführung von Kurzarbeit vor. Angesichts des schwierigen Konjunkturumfeldes habe der Vorstand im Einvernehmen mit den zuständigen Gesamtbetriebsräten die Voraussetzungen dafür geschaffen, erklärte der Konzern am Montag in Kirkel. Ob und an welchen Standorten diese Option wahrgenommen wird, stehe aber noch nicht fest.
Bisher habe man die Kurzarbeit nicht beantragt, betonte ein Sprecher. Zunächst sei es darum gegangen, sich mit den zuständigen Betriebsräten zu einigen und so die Voraussetzungen für Kurzarbeit in einzelnen Märkten zu schaffen. «Auf diese Weise wollen wir einen Personalabbau verhindern», sagte der Sprecher. Die Öffnungszeiten der Baumärkte sollen nach seinen Angaben aber auch bei einer möglichen Einführung von Kurzarbeit unverändert bleiben.
Voraussetzung für den Antrag auf Zulassung von Kurzarbeit ist dem Unternehmen zufolge, dass die Umsatzrückgänge standortbezogen eine festgelegte Größe überschreiten und es nachweislich zu einem vorübergehenden nennenswerten Arbeitsausfall kommt.
Der Handel hat es "schwer"
Der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr, sagte, Baumärkte hätten derzeit mit besonderen Problemen zu kämpfen: «Die Branche hat es schwer.» So lebten gerade Baumärkte besonders stark vom Saisongeschäft, doch wegen des langen Winters sei das Frühjahrsgeschäft bisher kaum in Gang gekommen, sagte Pellengahr. Kurzarbeit sei im Einzelhandel jedoch insgesamt ein eher ungewöhnlicher Weg.
Bei der Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen für das Jahr 2008 hatte Praktiker mitgeteilt, dass wegen weniger spektakulärer Rabattaktionen (»20 Prozent auf alles») der Umsatz der Baumarktkette auf dem Heimatmarkt um 6,9 Prozent auf knapp 2,7 Milliarden Euro gesunken sei. Praktiker hatte nach eigenen Angaben die Zahl der Aktionstage im vergangenen Jahr nahezu halbiert.
Der Praktiker-Konzern hat in Deutschland knapp 340 Märkte mit rund 19.000 Mitarbeitern.
Ab Sommer Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet
Die Bundesregierung will mit zusätzlichen Leistungen für Kurzarbeit dazu beitragen, Entlassungen zu verhindern, so wurde Ende vergangenen Jahres die Höchstzahldauer beim Kurzarbeitergeld von zwölf auf 18 Monate verlängert. Wirtschaftsexperten rechnen ab Sommer dennoch mit einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hatte eine weitere Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von 18 Monaten auf zwei Jahre in Aussicht gestellt. Die Union lehnt das ab. (afp/ap)