Deutschland gilt in vielem als Vorbild für Europa, nicht nur im Balltreten. Den unter einer Rekord-Jugendarbeitslosigkeit leidenden Südstaaten soll nun das deutsche Ausbildungssystem als Blaupause dienen. In einem „New Deal“ soll die EU nach dem Willen von Deutschland und Frankreich Milliarden in die Hand nehmen, um Ausbildungsplätze nach deutschem Vorbild in Südeuropa zu schaffen.

Umso verwunderter registriert die Bundesagentur für Arbeit, dass der Ausbildungsmarkt im selbst ernannten Musterland derzeit schwächelt. Die leichte Frühjahrsbelebung auf dem Arbeitsmarkt (siehe Tabelle) bringt keineswegs mehr Lehrstellen mit sich. In NRW ist das Gegenteil der Fall: Trotz des doppelten Abiturjahrgangs und damit mehr Bewerbern stellen die Betriebe 1600 Ausbildungsplätze (1,8 Prozent) weniger zur Verfügung. Damit vertun sie eine große Chance, sich guten Nachwuchs zu sichern, findet Christiane Schönefeld, Chefin der Arbeitsagentur in NRW. „Nie wieder werden so viele junge Menschen auf den Ausbildungsmarkt strömen“, sagt sie. So klafft eine unschöne Lücke: Für 38 000 noch zu vergebende Lehrstellen gibt es 54 000 Bewerber.

Dennoch blieb die Jugendarbeitslosigkeit im Mai mit 5,7 Prozent nach hiesiger Zählweise sehr gering. Auch nach europäischer Rechnung hatte Deutschland im März (jüngste Zahlen) mit 7,6 Prozent die niedrigste Quote aller 27 EU-Staaten. Dagegen melden Griechenland und Spanien Horrorzahlen von 62,5 und 55,9 Prozent Jugendarbeitslosigkeit.

Doch die gängige Übersetzung, jeder zweite spanische und zwei von drei griechischen Jugendlichen seien arbeitslos, ist falsch. Denn die Statistik erfasst nur 15- bis 24-Jährige, die schon Arbeit haben oder suchen. Die Mehrheit der Jugendlichen geht aber noch zur Schule oder auf die Uni und wird nicht mitgezählt. Die Statistik beschreibt also nicht die Lage der gesamten Jugend eines Landes, sondern nur jenes Teils, der bereits in den Arbeitsmarkt drängt.

Statistik dramatisiert die Lage

Bezogen auf alle Altersgenossen sehen die Zahlen anders aus, das europäische Statistikamt Eurostat veröffentlicht sie aber nur jährlich. Demnach waren 2012 in Spanien 20,6 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, in Griechenland 16,1 Prozent. Es war also „nur“ jeder sechste Grieche und jeder fünfte Spanier in diesem Alter ohne Job.

Das sind freilich immer noch viel zu viele. Und weil vor allem Jugendliche arbeitslos sind, die früh die Schule verlassen oder einen schwachen Abschluss gemacht haben, also wenig qualifiziert sind, ist auch die Warnung vor einer „verlorenen Generation“ nicht verkehrt. Denn sollte die Wirtschaft in den Krisenländern irgendwann wieder anziehen, dürften die meisten der heute arbeitslosen Jugendlichen trotzdem arbeitslos bleiben. Für neue Stellen steht dann ein Heer von Schulabgängern und Hochschulabsolventen bereit.

Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande wollen dagegen ihren „New Deal“ setzen und Details bei ihrem Treffen am heutigen Donnerstag bereden. Unter anderem soll die Europäische Investitionsbank Kredite an Firmen vergeben, die Jugendliche ausbilden. Versagt Europa im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, sagt Hollande dem Kontinent eine düstere Zukunft voraus. Die junge Generation werde die Politik zur Verantwortung ziehen, warnte er unlängst in Paris.