Düsseldorf. Der Düsseldorfer Versicherer Ergo will tausende Gebäudeversicherungen kündigen. Bei Neuabschluss drohen den Versicherten enorme Prämiensteigerungen - teils um bis zu 100 Prozent. Der Gebäudeversicherungsbereich bei Ergo ist hoch defizitär und soll so aus den roten Zahlen geholt werden.
In den vergangenen Jahren geriet Ergo mit den Sexreisen von Mitarbeitern in die Schlagzeilen. Jetzt droht dem Versicherungskonzern wieder Ärger. Ergo kündigt rund 120.000 ältere, teilweise bereits in den sechziger Jahren abgeschlossene Verträge in der Gebäudeversicherung und verlangt bei Neuabschluss teilweise doppelt so hohe Prämien. Versicherungsvertreter sind sauer, die Kunden werden es bald auch sein.
Herausgekommen ist der Fall durch die Berichterstattung der „Westfalenpost“. Mehrere Hundert Hagener Kunden der Ergo werden in den kommenden Wochen überraschende Post bekommen. Darunter sind auch Kunden des Hagener Versicherungsbüros Kleine. Dessen Prokurist Thomas Winter bestätigt auf Anfrage, dass allein bei Kleine mehr als 300 Kunden betroffen seien, die von Juni bis Oktober die Kündigungs-Post erhalten würden.
Bei Folgeverträgen drohen den Kunden Beitragserhöhungen von bis zu 100 Prozent
An anderer Stelle fallen in der örtlichen Versicherungsbranche unter Zusicherung der Anonymität noch viel deutlichere Worte: Man sei entsetzt über die Ergo-Informationspolitik. Vertreter vor Ort hätten nur durch Zufall von dem geplanten Vorgehen erfahren. Da den Ergo-Kunden einfach die zum Teil über Jahrzehnte bestehenden Vertragsbeziehungen gekündigt würden, ohne einen Folgevertrag anzubieten, liege jetzt der gesamte Beratungsaufwand bei den Versicherungsvertretern.
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Bei möglichen Folgeverträgen drohen den Kunden Beitragserhöhungen von bis zu 100 Prozent. Das bestätigte Unternehmenssprecherin Alexandra Bufe. Nach ihren Angaben sind deutschlandweit mehr als 120.000 Verträge aus der Zeit bis 2006 betroffen, ein Fünftel des Bestands. Seit März hätten 19.000 Kunden ein Umstellungsangebot mit einer durchschnittlichen Erhöhung von 14 Prozent angenommen, erklärte Ergo schriftlich.
Keine automatische Beitragsanpassung bei Altverträgen
Das Unternehmen gehe den Schritt, weil der Gebäudeversicherungsbereich bei Ergo hoch defizitär sei: Bei Beitragseinnahmen von 185 Millionen Euro habe man allein im Jahr 2011 rund 40 Millionen Euro Verlust erlitten. Bei den Altverträgen gibt es keine automatische Beitragsanpassung.
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Die Versicherung für rund 20 Millionen Gebäude in Deutschland gilt als Aufhänger für den Verkauf weiterer Produkte, so der Branchendienst „asentanews“. Die zu begleichenden Schäden würden im Branchenschnitt 119 Prozent der Einnahmen betragen. Die zunehmende Zahl von Naturkatastrophen machen den Unternehmen zu schaffen. Andere große Versicherer wie die Allianz und die Sparkassenversicherung hätten bereits Ende 2012 in Gebäudetarife für 700.000 Verträge um durchschnittlich 13 Prozent erhöht.
Auch andere Versicherer erhöhen
Die Verbraucherzentrale NRW sieht die Ergo rechtlich auf der sicheren Seite – Prämien dürften erhöht und Verträge gekündigt werden. Allerdings rät Rita Reichard von der Verbraucherzentrale: „Betroffene Kunden sollten die Gelegenheit nutzen, Vergleichsangebote einzuholen und eventuell zu einer günstigeren Versicherung wechseln.“
Die Stiftung Warentest hat zuletzt im Sommer 2011 69 Tarife in der Gebäudeversicherung untersucht. Heraus kam, dass Hauseigentümer durch einen Vergleich im besten Fall mehr als 500 Euro im Jahr sparen können.