Essen. . Die Zahl der Patentanmeldungen im Bereich von Nutztieren und -pflanzen steigt. Das ruft Kritiker auf den Plan. Sie befürchten verheerende Folgen durch den Eingriff in die natürliche Entwicklung. Streit gibt es um die „Schrumpeltomate“, eine Züchtung, die besonders wenig Wasser enthält.

Es ist ein Streit, der seit Jahren tobt und es ist mehr. Schutzrechte auf Pflanzen oder Tiere sind eine ethische Herausforderung. Darf der Mensch mittels Biotechnologien in die natürliche Entwicklung eingreifen? Und: Ist das schützenswert?

Die Kritiker meinen Nein. Schutzrechte auf Nahrungsmittel haben nach ihrer Ansicht eine verheerende Folgeerscheinung. „Die internationalen Konzerne übernehmen so die Kontrolle über die Grundlagen der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung“, so der Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, Georg Janßen. Das Unbehagen ist weit verbreitet. Aber worum geht es?

Meist wird die Gentechnik mit Biopatenten in Verbindung gebracht. Mittels Genmanipulation sollen Pflanzen beispielsweise gegen bestimmte Schädlinge immun werden, Hitze oder Dürre besser ertragen. Auch bei Tieren kommt die Technik zum Einsatz, etwa um Krankheiten hervorzurufen, die dann erforscht werden.

Streitfall Schrumpeltomate

Doch neben der Gentechnik gibt es auch noch Züchtungsverfahren, für die deren Erfinder Schutzrechte beanspruchen. Der Rahmen dafür wird durch die Biopatentrichtlinie der EU geregelt. Doch die Ausgestaltung der Reichweite von Schutzrechten bleibt eine nationale Angelegenheit. Für Deutschland bedeutet dies etwa: Weder Pflanzensorten noch Tierrassen dürfen einzelnen Rechteinhabern zugeordnet werden, aber Teile oder Zuchtverfahren, die durch den Einsatz technischer Mittel verändert worden sind.

In der Praxis kommt es zu Problemen. Ein bekannter Streitfall ist die Schrumpeltomate des israelischen Landwirtschaftsministeriums, eine Züchtung, die besonders wenig Wasser enthält. Sie ist dadurch gut für die Herstellung von Ketchup oder Tomatensoße geeignet.

Unterliegt Gemüse dem Patentschutz?

Das vor Jahren erteilte Patent auf die Züchtung in zehn europäischen Ländern wurde zwischenzeitlich zurückgenommen – nicht aber die Rechte auf die Tomate selbst und auf die Saat. Das Verfahren ist vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) immer noch anhängig, weil gegen die Patentierung Einsprüche erhoben wurden. Frühestens gegen Ende des Jahres wird die Grundsatzentscheidung fallen, ob Gemüse oder Früchte selbst dem Patentschutz unterliegen, auch wenn es kein Patent auf die Züchtung gibt.

Die Debatte um Biopatente wird auf verschiedenen Ebenen geführt. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) äußert neben ethischen Bedenken gegen Eingriffe in die Schöpfung auch die Sorge, dass die landwirtschaftliche Forschung verhindert wird und die Marktkonzentration sowie die Abhängigkeit von Konzernen zunimmt. „Die Vielfalt an Saatgut und Tierrassen nimmt ab“, warnt EKD-Ratspräsident Nikolaus Schneider zudem. Auch der Bauernverband befürchtet einen Artenschwund.

Drei große Saatgutunternehmen

Tatsächlich teilen sich nur wenige Konzerne den größten Teil des Marktes. Die drei größten Saatgutunternehmen, Monsanto und DuPont aus den USA sowie Syngenta aus der Schweiz, vereinen 85 Prozent der Patente auf gentechnisch veränderte Saaten auf sich.

Die Industrie und auch die kleinen und mittelständischen Saatguthersteller bestreiten die Vorwürfe. „In der Biotechnologie- und Saatgutbranche kommen viele Patentanmeldungen von kleinen Unternehmen oder Einzelerfindern“, sagt ein Sprecher des Unternehmens BASF Plant Science. Laut BASF dauert die Einführung einer neu erzeugten Pflanzeneigenschaft jedoch von der Entwicklung an im Durchschnitt 13 Jahre und kostet rund 135 Millionen US-Dollar.

Erhalt natürlicher Lebensräume

Diesen Aufwand können kleinere Firmen nicht mehr stemmen. Sie werden aufgekauft oder kooperieren mit den großen Konzernen. Eine Monopolisierung sei kein primärer Effekt des Patentrechtes, sondern die Folge des Marktumfeldes.

Auch negative Einflüsse der Gentechnik auf die Artenvielfalt bestreitet der Konzern. „Durch die Steigerung der Erträge auf vorhandenen Ackerflächen tragen gentechnisch veränderte Pflanzen vielmehr zum Erhalt der natürlichen Lebensräume und der globalen Biodiversität bei“, versichert der Sprecher.

Probleme national lösen

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, der die kleineren Saatgutbetriebe vertritt, sieht ein anderes Risiko: „Es besteht die Gefahr, dass wir nur noch ein eingeschränktes Potenzial an Genen verwenden dürfen“, warnt der Vize-Chef des Verbands, Christoph Herrlinger, trotzdem. Die Probleme ließen sich zumindest national lösen. „Wir brauchen eine Klarstellung, dass auch die Produkte aus Kreuzung und Selektion nicht patentiert werden dürfen“, verlangt Herrlinger. Das ist genau die Frage, die das EPA im Fall der Schrumpeltomate klären will. Daran hängt letztlich auch die Frage, ob das Patentrecht Innovationen fördert oder behindert.