Essen. . In den USA genießen Internetportale wie kickstarter.com längst hohes Ansehen. Sie ermöglichen es jungen Firmengründern, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Und die Netzgemeinde gibt dafür das Geld. Auch in Deutschland starten solche Crowdfunding-Plattformen – wie leihdeinerstadtgeld.de oder fundsters.de.
Oestrich-Winkel ist ein Vorreiter. Die kleine hessische Stadt wollte ihre Freiwillige Feuerwehr mit neuen Funkgeräten ausstatten und beschritt dabei neue Wege. Die Gemeinde bei Wiesbaden borgte sich das Geld bei ihren Bürgern – auf der Internet-Plattform leihdeinerstadtgeld.de.
Innerhalb kürzester Zeit kamen so die nötigen 83.000 Euro zusammen. Crowdfunding, Schwarmfinanzierung, nennt sich diese Methode des Geldauftreibens. Die Idee kommt aus den USA und erlebt in Deutschland gerade einen Boom.
Anstatt sich Geld bei einer Bank zu leihen, finanziert die (Internet-)Gemeinschaft das Projekt. Davon können auch junge Unternehmen profitieren, die bei einem „normalen“ Kreditinstitut keine Chance auf Anschubfinanzierung haben.
Auch kleine Beträge helfen
„Eine Bank gibt keine Kredite für eine Spieleidee“, sagt Jan Theysen, Entwickler von Computerspielen. Der Mitgründer von King Art Games aus Bremen musste mit ansehen, wie der Herausgeber eines seiner letzten Projekte schnurstracks in die Insolvenz marschierte. Theysens Entwicklerteam konnte die Lorbeeren seiner Arbeit nicht mehr ernten.
Auch deshalb startete King Arts Games auf kickstarter.com eine Crowdfunding-Kampagne für ihr neues Strategiespiel „Battle Worlds: Kronos“. Bis Dienstag kamen so auf der bekannten US-Plattform über 216 000 Dollar zusammen – mehr als nötig, um das neue Spiel, das sehr stark an Spieleklassiker wie „Battle Isle“ und „Panzer General“ erinnert, zu realisieren. Pro Tag sammelten die Macher rund 6000 Dollar ein.
Mit Youtube-Videos preisen die Macher von „Battle Worlds: Kronos“ ihr Spiel an:
Die Idee hinter Crowdfunding: Auch kleine Geldbeträge helfen, ein Projekt anzuschieben. Bei Theysens Spiel sind es mindestens fünf Dollar. Im Schnitt gaben die „Backer“, so heißen die Spender im Jargon, rund 45 Dollar. Für eine Spende von 20 Dollar oder mehr gibt es das fertige Spiel später umsonst. Und die Unterstützer aus dem Internet sparen: Im Laden soll „Battle World: Kronos“ deutlich teurer werden.
Mit solchen oder ähnlichen Anschubfinanzierungen setzte die Plattform kickstarter.com 2012 rund 320 Millionen US-Dollar um, 2,2 Millionen Menschen gaben Geld. 44 Prozent der Projekte gelang die Anschubfinanzierung. Die Internetseite machte mit Projekten wie der „Pebble-Watch“ von sich hören. Die Macher der Armbanduhr mit Handy-Funktionen wollten 100.000 Dollar einsammeln, am Ende waren es über zehn Millionen. Fast 6900 Menschen gaben Geld. Die Uhr ist mittlerweile ausgeliefert.
Klammen Kommunen aus der Patsche helfen
Bei leihdeinerstadtgeld.de geht es weniger darum, jungen Firmen eine Anschubfinanzierung zu gewähren oder einer Produktidee zur Marktreife zu verhelfen, sondern klammen Kommunen aus der Patsche zu helfen. Bevor sich die Städte am Kapitalmarkt Geld leihen, haben sie auf der deutschen Plattform die Möglichkeit, ihre Projekte zu bewerben. Die Sanierung des städtischen Kindergartens, ein neuer Anstrich für die Schule: Der Kreativität der Stadtoberen sind keine Grenzen gesetzt.
Die Kommune spart Kreditkosten, der Bürger bekommt im Idealfall mehr Zinsen, als wenn er sein Geld auf dem Sparbuch parkt. „Die Stadt profitiert auch, weil das Geld in der Region investiert wird“, sagt Jamal El Mallouki, einer der drei Gründer von leihdeinerstadtgeld.de. Die Mainzer haben von der Bankenaufsicht Bafin die Erlaubnis bekommen, als Mittler zwischen Stadt und Bürgern aufzutreten. Die Neugründung ist aber keine klassische Bank, eher Kreditvermittler. Das Geld, das die Bürger investieren, wird auf einem Treuhandkonto geparkt, die Spender bleiben anonym. Leihdeinerstadtgeld.de erhält rund ein halbes Prozent der vermittelten Summe.
Leihdeinerstadtgeld.de ist zwar eine Geschäftsidee, die sich aus Sicht ihrer Macher trägt, aber: „Wir haben die Dauer der Anlaufzeit unterschätzt“, sagt Gründer Mallouki. Klinkenputzen bei den Stadtoberen gehöre zum Geschäft. Die Resonanz sei allerdings gut. Weitere vier Projekte sind in Vorbereitung.
Das Geld bleibt in der Region
Fundsters.de will neben Firmenneugründungen vor allem soziale Projekte anschieben. Seit fünf Monaten ist die Firma aus Meerbusch mit ihrer Plattform online, zwei Projekte sind seitdem schon durchfinanziert worden. „Wir wollen langsam wachsen“, sagt Gründer Markus Brütsch. „Wir werden auch auf absehbare Zeit keine Millionenfinanzierungen hinbekommen.“
Muss Fundsters.de auch nicht. Zwei stille Teilhaber sind mit einer Million Euro in das Projekt eingestiegen. Es solle eben nicht darum gehen, so viele Projekte wie möglich in kurzer Zeit anzuschieben. „Wir wollen auch dann noch am Markt sein, wenn sich der Hype um Crowdfunding gelegt hat“, so Brütsch. Es gehe auch darum, ein neues Gemeinschaftsbewusstsein zu schaffen. „Erst in ein, zwei Jahren wird man sehen, ob wir mit unserer Idee erfolgreich sind.“