Brüssel.
Die Abstimmung im Straßburger Plenum war eine der am härtesten umkämpften Entscheidungen in jüngster Zeit. Sozialdemokraten, Grüne und Linke standen hinter dem Vorschlag von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard, weil nur so der Preisverfall an der Zertifikate-Börse gestoppt werden könne. Die meisten Christdemokraten, Konservativen und Liberalen hielten dagegen, die sinkenden Preise seien ein normaler Markt-Vorgang, in den man nicht mit kurzfristigen Korrekturen eingreifen solle. Angesichts des Zwists in der Berliner Regierungskoalition hatten sich besonders die deutschen Parlamentarier aus dem schwarz-gelben Lager mit ihrem Votum schwer getan. Die Entscheidung war eng: 334 stimmten gegen die Zertifikate-Verknappung, 315 dafür.
Hedegaard bedauerte den Beschluss, fügte aber hinzu, er müsse noch nicht das letzte Wort des Parlaments sein. Jetzt komme es verstärkt auf die Mitgliedstaaten an, die gemeinsam mit dem EP entscheiden. Unter anderem haben sich die Briten, Franzosen, Italiener, Dänen und Schweden für Hedegaards Plan ausgesprochen. Umweltschutz- und Wohlfahrtsverbände kritisierten den Straßburger Entscheid scharf. „Ein kohlrabenschwarzer Tag für den Klimaschutz“ urteilte Brot für die Welt. Wirtschaftsverbände auf europäischer und deutscher Ebene waren hingegen voll des Lobes. „Das Parlament hat heute kurzsichtigen Markteingriffen eine Absage erteilt“, erklärte der Zusammenschluss der Energieintensiven Industrien in Deutschland (EID). Die Klimaziele der EU würden auch so erreicht.
Der Zertifikate-Handel (EHS) gilt als Königsinstrument der europäischen Klimapolitik - mit den Markt-Methoden von Angebot und Nachfrage soll der Umgang mit Energie von umweltschädlichen Risiken und Nebenwirkungen möglichst weitgehend gereinigt werden. Das Prinzip ist einfach: Wer die Gemeinschaft belastet, indem er Kohlendioxid in die Luft bläst, dem stellt die Gemeinschaft dafür eine Rechnung aus. Je höher der CO2-Ausstoß, desto teurer wird es. Wer umsteigt auf Wind-, Sonne oder Wasserkraft, spart Geld.
Das Instrument funktioniert indes nur, wenn der Preis für die Zertifikate stimmt, so dass Investitionen in klimaschonende Technik sich lohnen. Doch die Lizenzen zum Verschmutzen kosten statt der angepeilten 20 bis 30 Euro pro Tonne CO2 nur noch vier bis fünf Euro. Das hat zwei wesentliche Gründe: Die Mitgliedstaaten haben großzügig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Unternehmen kostenlose Verschmutzungsrechte zuzuteilen. Die Zertifikate-Schwemme wird verschärft durch Rezessionseffekte.