Duisburg. .
Der angeschlagene Duisburger Traditionskonzern Haniel, der für 2012 einen historischen Verlust von 1,9 Milliarden Euro ausweisen muss, stoppt nun auch die Zahlungen für Opfer des „Bröselstein-Skandals“. Vorstandschef Stephan Gemkow kündigte gestern an, dass das Moratorium mit sofortiger Wirkung beginne.
Zwischen 1987 und 1996 hatte die Firma Haniel Baustoffe, die heute Xella heißt, schadhafte Kalksandsteine für den Hausbau hergestellt. Haniel hatte das Unternehmen zwar 2008 verkauft, übernimmt aber weiterhin die Haftung für etwaige Schäden. Nach Angaben von Vorstandschef Gemkow hat Haniel inzwischen rund 20 Millionen Euro an Geschädigte ausgezahlt und über 80 Millionen Euro Rückstellungen gebildet. Gutachter der Dekra haben 430 Fälle anerkannt.
Gemkow betonte gestern erneut, dass Haniel die über 100 Millionen Euro „ohne jede rechtliche Verpflichtung“ und allein aus Gründen der Kulanz in die Hand genommen habe. Noch nicht entschieden sind die Klagen, die zum Teil seit Jahren vor dem Duisburger Landgericht anhängig sind. Einige Hausbesitzer wollten sich nicht auf die von Haniel angebotene Kulanzregel einlassen und zogen deshalb vor Gericht. Der Konzern kündigte gestern an, dass er nur im Falle einer höchstinstanzlichen Verurteilung zahlen werde. Auch etwaige „Bröselstein“-Geschädigte, die sich erst jetzt an Haniel wenden, können nicht mehr mit einer Entschädigung rechnen. „Diese Fälle werden nur noch erfasst“, so ein Sprecher.
„Historischer Verlust“ in mehr als 250 Jahren Firmengeschichte
Konzernchef Gemkow begründete das Moratorium mit den zuletzt deutlich zurückgehenden Entschädigungs-Anträgen, insbesondere aber mit den tiefroten Zahlen, die er bei seiner ersten Bilanzpressekonferenz gestern vorlegen musste. Den Verlust nach Abzug der Steuern in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bezeichnete er als „historisch“ in der über 250-jährigen Haniel-Geschichte. „Dieser Verlust markiert unweigerlich einen erheblichen Einschnitt“, sagte der ehemalige Lufthansa-Manager, der erst im August 2012 nach Duisburg gewechselt war.
Die Krise bekommt auch die über 600-köpfige Familie Haniel zu spüren, der das Unternehmen gehört. Erstmals seit 60 Jahren müssen sie nach einem Vorschlag des Vorstands auf die Ausschüttung einer Dividende verzichten. Sie war schon für 2011 auf 50 Millionen Euro geschrumpft. „Die Gesellschafter tragen den Kurs aber mit“, versicherte Gemkow.
Den gewaltigen Verlust hat die Haniel-Holding vor allem ihrer kriselnden Handelstochter Metro zu verdanken, die im vergangenen Geschäftsjahr ebenfalls einen historischen Gewinneinbruch um 90 Prozent verkraften musste und nur knapp den roten Zahlen entronnen war. Haniel hatte 2012 seinen Anteil an der Metro von 34 auf 30 Prozent reduziert und musste nun eine Wertberichtigung für die Beteiligung am Handelsriesen von 1,5 Milliarden Euro vornehmen. 2011 hatte Haniel mit der Metro noch 329 Millionen Euro verdient.
Unter dem Strich machte Gemkow „Aufräumarbeiten und Einmaleffekte“ für das schlechte Jahresergebnis verantwortlich. Denn der Haniel-Umsatz blieb 2012 mit 26,3 Milliarden Euro stabil, das operative Ergebnis verbesserte sich um 96 auf 496 Millionen Euro. Neben der Metro gehören die Pharmasparte Celesio, der Rohstoffrecycler ELG, der Büroausstatter Takkt sowie der Waschraumhygiene-Spezialist CWS Boco zu Haniel.