Berlin. . Die Krankenversicherungen sollen bei ausstehenden Beträgen nur noch zwölf statt bis bisher 60 Prozent Zinsen im Jahr berechnen dürfen. Hunderttausende Versicherte sind mit ihren Beiträgen im Rückstand. Die Bundesregierung will Betroffenen helfen und sie vor der Schuldenfalle schützen.

Wer seine Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nicht bezahlt, der kann schnell in die Schuldenfalle tappen. Denn bisher müssen säumige Versicherte bis zu 60 Prozent Zinsen im Jahr bezahlen. Nun will die Bundesregierung Betroffenen helfen und die Wucherzinsen senken. Für Privatversicherte soll es einen Notlagentarif geben, wenn sie sich ihre Police nicht mehr leisten können. Dies geht aus einem Referentenentwurf aus dem Gesundheitsministerium hervor, der sich in der Ressortabstimmung befindet. Noch vor der Bundestagswahl soll das Gesetz verabschiedet werden.

60 Prozent kann sich keiner leisten

Demnach soll für GKV-Versicherte die Zinslast pro Monat von fünf auf ein Prozent sinken. „Es ist gut, dass wir den Wucher der gesetzlichen Krankenversicherung beenden, denn 60 Prozent Zinsen im Jahr kann sich kein Mensch leisten“, sagte Unions-Gesundheitsexperte Jens Spahn (CDU), der im Oktober in dieser Zeitung niedrigere Zuschläge gefordert hatte.

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Seit einigen Jahren dürfen die Kassen säumige Zahler nicht mehr rauswerfen, weil es die Versicherungspflicht gibt. Nach der Sozialgesetzgebung sind sie gezwungen, die hohen Zinsen zu berechnen, was vor allem kleine Selbstständige oder Existenzgründer belastet.

Dies zeigen Beispielrechnungen der Regierung. Wenn ein freiwillig versicherter Nichtselbstständiger – etwa Student, Minijobber oder freiwillig versicherter Rentner – seinen Mindestbeitrag von etwa 125 Euro im Monat nicht zahlen kann, hat er nach vier Jahren fast 13 000 Euro Schulden angehäuft. Über die Hälfte davon sind Säumniszuschläge.

4,5 Milliarden Euro Beitragsrückstand bei gesetzlichen Krankenversicherungen

Bei freiwillig versicherten Selbstständigen, die selbst den Mindestbeitrag nicht zahlen können, summieren sich die Schulden nach vier Jahren sogar auf über 29 300 Euro – die Hälfte davon sind Zinsen.

Insgesamt betragen die Beitragsrückstände in der gesetzlichen Krankenversicherung bislang 4,5 Milliarden Euro. Davon sind von Arbeitnehmern rund 2,1 Milliarden Euro nicht bezahlt worden, hauptsächlich betrifft dies freiwillig Versicherte. 2,4 Milliarden Euro an Beiträgen sind die Arbeitgeber schuldig geblieben. Die bisherigen Regelungen hätten sich nicht bewährt, begründet der Referentenentwurf nun die Änderungen.

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Eine Modifizierung soll es auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) geben. Stehen bei einem PKV-Mitglied derzeit Zahlungen aus, dann wird sein Vertrag „ruhend“ gestellt. Die Leistungen sinken auf ein Notfallniveau. Der Betroffene bleibt jedoch in seinem teuren Tarif, was die Schuldenlast erhöht. Erst nach Ablauf eines Jahres rutscht er in den Basistarif.

Verbesserung für Privatversicherte

Künftig soll ein säumiger Versicherter nach einem Mahnverfahren automatisch in einen günstigeren Notlagentarif fallen. Er deckt nur das Wichtigste ab. Altersrückstellungen werden nicht aufgebaut. Nach Branchenschätzungen dürfte der Nottarif nicht mehr als 100 Euro im Monat kosten.

Die Notpolice wäre eine Erleichterung für zahlreiche Kunden. Bereits im Herbst 2011 konnten rund 150 000 Privatversicherte ihre Police nicht bezahlen, die Außenstände betrugen 554 Millionen Euro. Tendenz steigend. Gesetzliche wie private Kassen lobten den Entwurf. „Es ist gut, dass die Kassen nicht mehr gezwungen sind, extrem hohe Zinsen zu verlangen. Hier werden die Verhältnisse gerade gerückt“, so der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes.