Essen. . Die Gewerkschaft Verdi macht Front gegen das wachsende Lohngefälle im Einzelhandel. Um den Mindestlohn bei der Leiharbeit zu umgehen, vergeben Supermärkte und Discounter Aufgaben wie das Befüllen der Regale oder die Besetzung der Kassen an Dienstleister, die ihre Mitarbeiter über Werkverträge anstellen.

Um die langen Öffnungszeiten von 7 bis zum Teil 24 Uhr zu überbrücken und die Personalkosten zu senken, lagern Supermärkte und Discounter immer mehr Tätigkeiten aus und kaufen externe Dienstleistungen ein. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi verdienen diese Kräfte mit Werkverträgen gerade einmal die Hälfte des Tariflohns, den der Einzelhandel zahle. Im Gegensatz zu weiten Teilen der Leiharbeitsbranche gebe es bei Werkverträgen keine Mindestlöhne.

Im Supermarkt stoßen zwei Welten aufeinander: Die fest angestellte Verkäuferin an Kasse 1 verdient 12,29 Euro pro Stunde, ihre Kollegin an Kasse 2, die bei einem Dienstleister beschäftigt ist, indes nur 6,63 Euro, sofern er dem Tarifvertrag ILS, der mit einer christlichen Gewerkschaft geschlossen wurde, angehört. Die Halbierung der Bezahlung ist möglich, weil die großen Ketten nach Schätzungen von Verdi inzwischen mehrere hunderttausend Beschäftigte auf Werkvertragsbasis einsetzen.

Arbeit auf Abruf

Zwischen fünf und zehn Prozent des ausgegliederten Arbeitsvolumens wie Einräumung von Regalen sei inzwischen dem Geltungsbereich der Tarifverträge entzogen. Nach Gewerkschaftsangaben haben einzelne SB-Warenhäuser sogar den Komplettbetrieb ab 20 Uhr an Werkvertragsfirmen vergeben. Diese beschäftigten zum größten Teil Minijobber, deren Verträge Arbeit auf Abruf vorsähen. Konkrete Zahlen liegen nicht vor. Stefanie Nutzenberger vom Verdi-Bundesvorstand fordert daher von der Bundesregierung eine „Erhebung über das wahre Ausmaß von Werkverträgen mit skandalös niedrigen Löhnen“.

Zahlen kennt auch der Handelsverband Deutschland nicht. „Das Thema Fremdvergabe ist so alt wie die Wirtschaft“, sagt HDE-Geschäftsführer Heribert Jöris. Einige Handelsunternehmen definierten etwa das Befüllen der Regale nicht als Kernkompetenz und beauftragten damit Dienstleister, die andere Tarife zahlten als der Einzelhandel. Andere wiederum setzten bewusst eigenes Personal ein, um Ansprechpartner für Kunden zu sein.