Zürich. Die Schweizer wollen keine Abzocker mehr: In einer Volksabstimmung am Sonntag entscheiden sie über eine Begrenzung der Manager-Abfindungen. Umfragen sehen eine deutliche Mehrheit für eine Deckelung der Zahlungen, obwohl sich die Wirtschaft mit millionenschweren Kampagnen wehrte.

Thomas Minder ist ein mittelständischer Unternehmer wie aus dem Lehrbuch. Der 52-Jährige hat von seinem Vater eine kleine Firma geerbt, die Kosmetikmittel herstellt und rund 20 Mitarbeiter beschäftigt. Der unverheiratete Minder steckt seine ganze Energie in die Trybol AG in Neuhausen am Rheinfall - normalerweise.

Doch Minder ärgert sich auch immer wieder. Vor einem Jahrzehnt hat er sich über die - in seinen Worten - Abzocker geärgert. Damit meint Minder Menschen wie den ehemaligen ABB-Chef Percy Barnevik, den einstigen UBS-Chef Marcel Ospel und Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella.

Diese Manager verdienten und verdienen oft noch immer Dutzende Millionen Franken im Jahr und ließen sich ihren Abgang vergolden. Barnevik etwa kassierte 150 Millionen Franken (120 Millionen Euro), als er das schweizerisch-schwedische Unternehmen vor zehn Jahren endgültig verließ.

Haft für Abzocker

Minder wollte dies in der Zukunft verhindern und lancierte eine Volksinitiative "gegen die Abzockerei". Die Initiative sieht vor, dass die Aktionäre börsennotierter Unternehmen auf ihrer Hauptversammlung über die Bezahlung der Geschäftsleitung und des Aufsichtsrates entscheiden. Goldene Fallschirme, also Abgangs-Entschädigungen wie die Barneviks, sind ebenso verboten wie Prämien bei Fusionen. Wer dagegen verstößt, soll mit einer Gefängnisstrafe rechnen müssen.

Gegen hohe Prämien macht sich inzwischen auch die Europäische Union (EU) stark. Unterhändler von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten einigten sich in der Nacht zum Donnerstag nach zähem Ringen darauf, Bonuszahlungen für Banker zu kappen.

Die Schweizer Elite war entsetzt, als die Initiative vor sieben Jahren eingereicht wurde. In der Schweiz reichen 100.000 Unterschriften, um eine Abstimmung über eine neue Verfassungsbestimmung zu erzwingen. Mit vielen Tricks wurde versucht, Minder zum Rückzug zu bewegen. Eine große Koalition aus Bürgerlichen und Sozialdemokraten zimmerte zudem einen Gegenvorschlag, der die Forderungen Minders in abgemilderter Form übernahm. Dieser träte in Kraft, wenn die Bürger die Initiative selbst ablehnten.

Ex-Novartis-Chef sollte Millionen fürs Nichtstun bekommen

Das werden sie aber wohl nicht. Die letzten Umfragen vor der Abstimmung am Sonntag gaben der Abzocker-Initiative über 60 Prozent. Damit wäre sie kaum noch einholbar. Dabei hatte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse Millionen Franken für eine teure Werbekampagne gegen sie ausgegeben. In der ganzen Schweiz warnen große Plakate vor den wirtschaftlichen Nachteilen einer Annahme. Es wurden gar Studenten angeheuert, um im Internet gegen die Initiative zu schreiben - was jedoch prompt aufflog.

Die Befürworter der Initiative machten dagegen kaum Werbung. Das erledigte unfreiwillig der Ex-Verwaltungsrats-Vorsitzende von Novartis, Daniel Vasella. Mitten in der Kampagne wurde bekannt, dass Vasella, der ein Jahresgehalt bis zu 40 Millionen Franken erhielt, künftig sogar fürs Nichtstun bezahlt werden soll: Er sollte verteilt über einen Zeitraum von sechs Jahren nach seinem Abgang von dem Pharmariesen Novartis bis zu 72 Millionen Franken dafür erhalten, dass er nicht zur Konkurrenz geht.

Das Vertrauen vieler Schweizer ist dahin

Nach einer Protestwelle, während der sogar der alte und der neue Präsident von Economiesuisse diesen "goldenen Fallschirm" verurteilte, verzichtete Vasella auf das Geld. Doch der Schaden war da bereits angerichtet. Das Vertrauen vieler Schweizer ist dahin.

Minder wird auch nach dem Sonntag in der Politik bleiben: Der Unternehmer war als Parteiloser von seinem Kanton Schaffhausen in den Ständerat gewählt worden. In der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments ist jeder Kanton mit zwei direkt gewählten Abgeordneten vertreten. Damit ist er einer der einflussreichsten Politiker in der Schweiz. Die "Abzocker" dürften es künftig schwerer haben. (dapd)