Hagen.. Die Deutschen lieben biologische Lebensmittel. Ihr Absatz steigt stetig. Doch die heimischen Bauern können den Bedarf nicht decken. Sie klagen: Energiemais verteuert die Ackerflächen. Auch deshalb steigen die Importe von ökologisch angebauten Lebensmitteln.
Die Lust der Deutschen auf Bio kennt keine Grenzen. Sie essen Jahr für Jahr mehr Obst, Gemüse und Fleisch aus ökologischem Anbau – allein die deutschen Bauern kommen da nicht mit. Deshalb muss der Handel immer mehr Biolebensmittel importieren. Schon heute stammen etwa jeder zweite Bioapfel und jede zweite Biomöhre aus dem Ausland.
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat nun die Bauern aufgefordert, mehr Bio zu produzieren. Sie will, dass die Deutschen ihren Bedarf selbst decken. Ein sehr ambitionierter Wunsch. Georg Pohl, Bio-Marktexperte der Landwirtschaftskammer NRW, beobachtet eher, dass „die Schere zwischen eigener Produktion und Konsum auseinandergeht“. Während sich der Bio-Umsatz seit dem Jahr 2000 auf satte sieben Milliarden Euro mehr als verdreifacht hat, haben sich die Bio-Anbauflächen nur knapp verdoppelt, sind zuletzt kaum noch gewachsen. „Es hat fast keinen Fortschritt mehr beim Ökolandbau gegeben“, sagt Pohl.
Massenware im Supermarkt
Seitdem Bio zur Massenware im Supermarkt geworden ist, muss alles ganzjährig verfügbar sein. Gibt es derzeit keine deutschen Biokartoffeln, greift der Verbraucher eben zu ägyptischen. Daran haben auch alle Zweifel an der Bioqualität von Importware aus Nordafrika, Südamerika oder Osteuropa nichts geändert. Die Verbraucher scheinen den Öko-Zertifikaten zu trauen, die Einhaltung und Kontrolle europäischer Bio-Standards versprechen. Auch Skandale wie die massenhafte Umetikettierung billiger Lebensmittel in Italien haben dem Bioboom nichts anhaben können.
Woher kommen unsere Biolebensmittel also? Bei nicht heimischen Früchten wie Bananen oder Zitronen verstehen sich Importquoten bis zu 100 Prozent noch von selbst. Bei Äpfeln schwankt die Importquote je nachdem, wie gut die Ernte in Deutschland war. Doch bereits jede zweite in Deutschland gekaufte Biomöhre wuchs in den Niederlanden, Israel oder Italien. Neun von zehn Bio-Paprika und acht von zehn Bio-Tomaten sind ebenfalls Importware, meist aus Spanien. Das geht aus dem Bio-Importbericht der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft aus dem Jahr 2011 hervor.
Doch selbst das Brotgetreide können die Biobäcker nicht mehr nur in Deutschland beziehen. Bioweizen muss bereits zu etwa einem Drittel importiert werden – etwa aus Kasachstan oder Rumänien. Nur Bio-Dinkel, -Roggen und -Gerste wachsen noch genug in Deutschland. Bio-Schweinefleisch und Bio-Eier stammen zu knapp 80 Prozent aus heimischen Betrieben.
Biogas – der starke Konkurrent
Warum die deutschen Bauern gerade beim Feldanbau nicht Schritt halten können? Sie haben einen starken Konkurrenten: Biogas. Der dafür massenhaft angebaute Energiemais frisst Fläche und verteuert so die Pachtkosten. „Uns werden bei Neuverpachtungen Preise von 1000 Euro und mehr je Hektar genannt“, sagt Bio-Experte Pohl. Bei solchen Preisen sei es für jeden Bauern schwer, ein Feld noch rentabel zu bewirtschaften. Aber: „Ökobetriebe sind die ersten, die aus der Kurve fliegen.“ Denn ihr Risiko sei wegen der höheren Kosten beim Bio-Anbau ohnehin größer.
Damit es trotzdem lohnt, sollen die Fördermittel erhöht werden. Die sind in NRW bereits heute höher als in den meisten Bundesländern: Je 400 Euro pro Hektar gibt der Staat in den ersten beiden Jahren dazu. In dieser Zeit muss der Biobauer seine Ernte noch als konventionell verkaufen. Ab dem dritten Jahr sinkt die Förderung auf 180 Euro – bei vierstelligen Pachtkosten nur eine kleine Hilfe.
Zweiter Hauptrund für das Zögern hiesiger Bauern ist die aktuellgute Preislage für konventionelle Lebensmittel. „Auch die Bio-Preise sind recht gut, aber der Abstand zum konventionellen Anbau ist nicht größer geworden. Das nimmt den Anreiz, umzustellen“, so Jörn Krämer, Ökolandbau-Experte des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands. Dabei müssten laut einer NRW-Studie die Bioflächen um weitere 50 Prozent wachsen, um den heimischen Bedarf zu decken. „Der Markt liegt vor der Tür“, sagt Pohl, „doch die Bauern greifen nicht zu.“