Frankfurt.

Exakt 12 096,86 Euro standen am Jahresanfang 2012 auf dem Konto. Das Geld ist eine wichtige Rücklage für die alte Dame. Nun lag der neue Kontoauszug in ihrem Briefkasten. Kontostand: 12 097,97 Euro und damit stolze 1,11 Euro mehr als ein Jahr zuvor. 1,51 Euro Zinsen hat die Bank gezahlt, davon gehen 38 Cent Kapitalertragssteuer ab und zwei Cent Soli-Zuschlag. Bleiben 1,11 Euro. „Kapital Plus“ nennt die Postbank das Anlagekonto und zahlt den bemerkenswerten Zinssatz von 0,05 Prozent. Als „renditestarke Anlage mit langfristiger Kalkulierbarkeit“ bewirbt das Institut das Angebot.

Dabei haben die Kunden bei ei­ner Inflationsrate von 2,0 Prozent im vergangenen Jahr faktisch viel Geld verloren. Sparkonten gleichen bei vielen Banken längst nicht mehr den Kaufkraftverlust des Geldes aus, so gering sind die Zinsen. Die Allianz Bank etwa zahlt bei einer ihrer Offerten für ein Jahr nur 0,01 Prozent.

Zinssenkungen ohne Ankündigung

Immerhin 1,8 Milliarden Euro hatten Kunden Mitte 2012 zum Minizins von 0,05 Prozent bei der Postbank angelegt. Ein Riesengeschäft. Immerhin ist die Kontoführung kostenlos, auch Auszüge und Porto werden bei „Kapital Plus“ nicht in Rechnung gestellt, betont Postbank-Sprecher Rüdiger Grimmert. Die meisten der „Kapital-Plus“-Anleger hätten sich aus Sicherheitserwägungen dafür entschieden.

Genauso sicher wäre das Geld aber beim Tagesgeldkonto der Postbank, das einen Zins von 1,2 Prozent bietet. Da hätte die alte Dame für das vergangene Jahr brutto rund 145 Euro an Zinsen erhalten und nicht nur 1,51 Euro. Auch sichere zehnjährige Bundesanleihen bieten immerhin 1,38 Prozent. Man mache die Kunden nicht aktiv auf Zinssenkungen aufmerksam, sagt Grimmert. „Spezielle Kundenanschreiben oder Mailings bei Konditionsveränderungen sind nicht vorgesehen“. Der Kunde muss selbst reagieren. Bei jener alten Dame, die kaum noch allein aus dem Haus kommt und weder Computer noch Internetanschluss besitzt, ist das schwierig.

Die niedrigen Zinsen machen auch für die Banken das Geschäft schwieriger, gute Margen seien kaum noch zu erzielen, sagt Grimmert. Das gesteht auch Max Herbst von der Frankfurter Finanzberatung FMH den Banken zu. „Aber alle Angebote mit einem Zinssatz von weniger als 0,75 Prozent sind unfair.“ Zu diesem Satz können sich die Banken derzeit bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld leihen. Diese Zinsen sollten sie auch Anlegern zahlen. Deren Spareinlage ist schließlich nichts anderes als ein Kredit für Bank.

Viele Institute zahlen auch mehr: Im Schnitt liegt der Zinssatz für Tagesgeld derzeit bei 1,02 Prozent, in der Spitze sind es 2,03 Prozent. Bei Festgeld für ein Jahr gibt es bis zu 2,20 Prozent, aber eben auch wie bei der Allianz nur 0,01 Prozent. Umgekehrt verlangt die Postbank für ihren Privatkredit bei 10 000 Euro derzeit knapp 5,8 Prozent Zinsen pro Jahr, was knapp unter dem Branchenschnitt liegt. Der Dispozins für die Überziehung des Girokontos liegt bei der Postbank bei bis zu 12,3 Prozent.

Nach Ansicht von Herbst zahlen die Banken derzeit auch deshalb für Spareinlagen zum Teil Minizinsen, weil sie das Geld eigentlich gar nicht brauchen. „Die Institute schwimmen im Geld.“ Dies vor allem auch deshalb, weil das Kreditgeschäft stagniert, teilweise sogar schrumpft. Die Unternehmen halten sich wegen der unsicheren Kon­junktur mit Investitionen zurück. Und wenn sie investieren, machen sie das oft mit eigenem Geld.

Diskriminierung Älterer

Zum anderen zahlen die Banken so wenig, weil es die Kunden hinnehmen oder – wie jene ältere Dame – kaum reagieren können. „Die Banken wären doch verrückt, wenn sie dem Kunden mehr geben. Der ist ja offenbar zufrieden“, sagt Herbst. „Der Kunde muss sich bewegen und auf seine Bank zugehen“, empfiehlt er. Er rät aber auch den Banken, mehr Initiative zu zeigen, zum Beispiel bei älteren Menschen. „Alter“, sagt Herbst, „darf auch beim Sparen kein Diskriminierungsgrund sein“.