Essen. .

Der Essener Energiekonzern RWE ist – gelinde gesagt – nicht gerade streikerprobt. Zuletzt hatten Beschäftigte des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks im Jahr 1919 zeitweise die Arbeit niedergelegt. Über Jahrzehnte ging es bei Tarifverhandlungen in der Regel vor allem darum, die Beschäftigten am Wachstum der Geschäfte teilhaben zu lassen. Doch in diesem Jahr ist in dem erfolgsverwöhnten Unternehmen von einer Zäsur die Rede. In einigen Bereichen des Konzerns geht es nun darum, das Schrumpfen zu organisieren. Weltweit sollen 10 400 der rund 70 000 Arbeitsplätze wegfallen. Der Atomausstieg und die Folgen der Energiewende machen auch RWE zu schaffen.

Mitarbeiter sollen flexibler sein

Die Stimmung ist angespannt. „Es geht jetzt um alles“, hieß es in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Verdi-Flugblatt. Der Vorwurf lautete: „Der Vorstand der RWE AG hat die Verhandlung bewusst an die Wand gefahren.“

Auf Seiten der RWE-Konzernleitung zieht der neue Personalvorstand Uwe Tigges die Fäden. Bemerkenswert: Bis vor Kurzem war Verdi-Mitglied Tigges noch Betriebsratschef von RWE und saß auf der anderen Seite des Verhandlungstisches. Nun soll er auch dafür sorgen, dass der Dax-Konzern massiv seine Kosten senken kann. RWE-Vorstandschef Peter Terium hatte einen eisernen Sparkurs ausgerufen und ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass es dabei zu betriebsbedingten Kündigungen kommen könnte.

Die für RWE zuständigen Gewerkschaften Verdi und IG BCE wollen sich morgen treffen, um womöglich die Weichen für einen unbefristeten Streik zu stellen. Zuletzt hatte Verdi kämpferische Töne angeschlagen. „Starre und völlig unverständliche Vorgaben aus dem ,Turm zu Essen’ haben jeden Kompromiss vereitelt“, heißt es in dem Flugblatt, das auch Verdi-Verhandlungsführer Hans Peter Lafos unterzeichnet hatte. Von „dramatischen Personalabbauplänen“ und „Outsourcing ohne Rücksicht auf die betroffenen Kollegen“ ist die Rede. Und: „Das gescheiterte Geschäftsmodell“ von RWE treibe den Vorstand um Peter Terium offensichtlich „zur Aufkündigung der sozialen Übereinstimmung“. Die Fronten zwischen Verdi und RWE-Führung sind verhärtet.

Kurz vor dem entscheidenden Treffen signalisierte Personalvorstand Tigges nun Bereitschaft zur Annäherung. „RWE steht zum sozialen Dialog und ist weiter gesprächs- und verhandlungsbereit, um mit intelligenten Lösungen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten“, schrieb Tigges in einer E-Mail an die Führungskräfte von RWE. „Wir wollen trotz der immensen Herausforderungen der Energiewende eine möglichst hohe Beschäftigung im Konzern sichern.“ RWE wolle „fair“ und „sozialverträglich“ vorgehen, heißt es in dem Schreiben. Von betriebsbedingten Kündigungen ist hier keine Rede.

Verdi und IG BCE fordern sechs Prozent mehr Lohn für die rund 30 000 RWE-Beschäftigten in Deutschland. Der Konzern hat angeboten, die Gehälter 2013 und 2014 um jeweils 1,5 Prozent zu erhöhen. Außerdem sollen die Mitarbeiter zwei Einmalzahlungen von je 500 Euro erhalten. Anders als beim Düsseldorfer Konkurrenten Eon geht es bei RWE nicht nur um Gehaltsverhandlungen, sondern auch um das Thema Beschäftigungssicherung. Verdi hatte gefordert, die Jobgarantie bis Ende 2023 zu verlängern.

Konzern braucht „flexible Modelle“

Im Umfeld von RWE wird betont, der Konzern habe den Ende vergangenen Jahres ausgelaufenen Vertrag zur Beschäftigungssicherung freiwillig bis Mitte 2013 verlängert. Die Konzernführung sei offen für eine Verlängerung des Kündigungsschutzes, erwarte aber mehr Beweglichkeit der Beschäftigten. Der Konzern brauche „flexible Modelle, die auch einen Wechsel der Mitarbeiter in andere Konzernbereiche zulassen“, forderte Tigges in dem Schreiben an die Führungskräfte. Womöglich müssen Mitarbeiter häufiger als bisher damit rechnen, zu einem anderen Standort oder einer anderen RWE-Tochterfirma zu wechseln.