Düsseldorf. . NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) beklagt im Interview die Ungleichbehandlung zwischen den Bundesländern bei der Förderung von Ökostrom. Er fordert regionalisierte Preise – und möchte die Akzeptanz von Windparks erhöhen, indem er Bürger mehr an den Anlagen beteiligt.

Die Energiewende trifft das Kohle- und Industrieland NRW härter als andere. Deshalb kämpft Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) um einen Länderfinanzausgleich für Ökostrom und sorgt sich um die Akzeptanz der Bürger.

Warum soll die Bundesregierung einen „Masterplan Energiewende“ schreiben?

Garrelt Duin: Es fehlt noch immer die Gesamterzählung zum Generationenprojekt Energiewende. Die Bürger sind nur bereit, Belastungen in Kauf zu nehmen, wenn sie wissen, wer welchen Beitrag zum Gelingen des großen Ganzen leistet. Das Stückwerk der Bundesregierung überzeugt niemanden und sorgt für ein unproduktives Nebeneinander der verschiedenen staatlichen Ebenen und vieler Unternehmen.

Sie könnten doch schon mal damit beginnen, vor der eigenen Haustür zu kehren . . .

Duin: Sie spielen auf die aktuellen Bürgerproteste in Meerbusch-Osterath gegen den dort geplanten Konverter an einem der wichtigsten Knotenpunkte der neuen Nord-Süd-Stromtrassen an. Die Landesregierung ist hier im Gespräch mit den Bürgerinitiativen und dem Netzbetreiber Amprion. Ich glaube an eine Vermittlungslösung: Im Umkreis von 10, 15 oder 20 Kilometern gibt es vielleicht alternative Standorte für eine solche Großanlage zur Stromumwandlung, die deutlich verträglicher wären für die Anwohner.

Sie kennen als gebürtiger Ostfriese die Wohnzimmeraussicht auf Riesenwindräder aus leidvoller Erfahrung. Kann eine finanzielle Beteiligung der Bürger den Verlust an Lebensqualität ausgleichen?

Duin: Wenn sich Anwohner mit Anteilsscheinen am Netzausbau beteiligen und mitverdienen können, steigert das gewiss die Akzeptanz. Ich bin außerdem ein Anhänger von Bürgerwindparks, bei denen normale Menschen mit überschaubaren Summen einsteigen können.

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Die Diskussion vor Ort läuft gleich ganz anders, wenn den unbestreitbaren Belastungen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien eine Rendite gegenübersteht, die nicht allein in anonyme Konzernkassen abfließt.

Ist NRW der Zahlmeister der Energiewende?

Duin: Es gibt sehr ungerechte Verteilungsmechanismen zwischen den Ländern. In NRW sollen weiterhin die wichtigen Kohlekraftwerke am Netz bleiben, damit es künftig in Deutschland auch an sonnen- und windarmen Tagen Strom gibt. Dabei rechnen sie sich durch weniger Betriebszeiten immer schwerer. Gleichzeitig soll NRW aber bitte kräftig CO2 einsparen, die Umweltbelastungen durch den Braunkohletagebau alleine schultern, am besten noch Vergünstigungen für unsere energieintensive Industrie streichen und gleichzeitig über den Strompreis die Solardächer bayerischer Eigenheimbesitzer und norddeutsche Windräder mitbezahlen. So geht’s nicht.

Was schlagen Sie vor?

Duin: Wir müssen über regionalisierte Strompreise diskutieren. In Bayern, wo die staatlich geförderte Photovoltaik stark ausgebaut ist, würde man dann andere Tarife zahlen als bei uns, wo die von erheblichen Umweltauswirkungen begleitete Braunkohle wesentlich zur Stromproduktion beiträgt. Die Grundidee eines veränderten erneuerbare Energiengesetz muss lauten: Ökostrom muss sich stärker am Markt behaupten.

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Wir wollen erreichen, dass sich Stromverkäufer künftig einen Mix aus konventionellen und erneuerbaren Energien zusammenstellen. Die Förderung des Ökostroms muss technologieunabhängig werden und mittelfristig über Steuern statt über eine Umlage finanziert werden.

Haben sich verschiedene Ruhrgebiets-Stadtwerke beim Kauf der Steag verhoben?

Duin: Es ist nicht meine Aufgabe, das rückblickend zu bewerten. Allerdings scheint mir die kritische Nachfrage, ob Stadtwerke Kraftwerke in aller Welt betreiben müssen, durchaus berechtigt.

Das Kabinett arbeitet an einem neuen Landesentwicklungsplan. Brauchen wir ein anderes Bewusstsein für den Wert der Industrie?

Duin: Der Landesentwicklungsplan darf nicht dazu führen, dass Neuansiedlungen oder städtebauliche Ideen nicht mehr realisiert werden können. Es muss neben der Altflächensanierung auch künftig noch möglich sein, am Stadtrand gewerbliche und industrielle Gebiete auszuweisen.

Warum muten Sie der NRW-Wirtschaft ein eigenes Landesklimaschutzgesetz zu?

Duin: Die Klimaschutzziele sind europaweit gesetzt. Wir satteln nicht drauf, sondern verständigen uns mit Unternehmen, Verbänden, Um­weltexperten und Kommunen über konkrete Umsetzungsschritte. Wichtiges Kriterium bleibt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Niemand, auch nicht der Umweltminister, will einer Deindustrialisierung Nordrhein-Westfalens Vorschub leisten.