Berlin. . Studie der Grünen: Privathaushalte müssen drei Milliarden Euro jährlich zu viel entrichten, weil Stromanbieter niedrigere Einkaufspreise nicht weitergäben
Die Strompreise steigen. Aber warum? Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagt: Wegen der Energiewende. Die Grünen halten dieser Argumentation aber entgegen, dass die Energieversorger den Verbrauchern höhere Preise abknöpfen als gerechtfertigt. Etwa drei Milliarden Euro würden Kleinverbraucher jährlich zu viel bezahlen, heißt es in einem Gutachten, das die Grünen im Bundestag in Auftrag gegeben haben. Die Kosten würden zwei Cent pro Kilowattstunde ausmachen. Für einen sparsamen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 2000 Kilowattstunden mache dies 40 Euro pro Jahr zu viel aus.
„Die Stromrechnungen für die privaten Verbraucher steigen, weil sie von Stromanbietern und Politik gleichzeitig in die Zange genommen werden“, sagte die Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn. Stromversorger wie Eon, der im ersten Halbjahr drei Milliarden Euro Gewinn einfuhr, machten „erhöhte Gewinne, weil sie gesunkene Einkaufspreise nicht an die Haushalte weitergeben“. Als Gegenmaßnahme fordert Höhn Privatkunden auf, zur günstigeren Konkurrenz zu wechseln.
Sinkende Preise werden nur selten weitergegeben
Das Gutachten hat für die vergangenen fünf Jahre die Ein- und Verkaufspreise der Stromanbieter verglichen. Das Ergebnis: Wenn ihre Einkaufspreise sinken, geben die Unternehmen dies nicht oder selten an Haushaltskunden weiter. Umgekehrt würden Preissteigerungen fast immer umgelegt. Dies entkräfte auch die Erklärung der Versorger, dass sie wegen langfristiger Liefer- und Bezugsverträgen Preissenkungen nicht kurzfristig weiterreichen könnten, sagte Höhn.
Der Bundesverband der Energiewirtschaft wies die Vorwürfe zurück. „Die Untersuchung hat methodische Mängel“, sagte ein Sprecher. Das Grünen-Gutachten ermittele die angebliche Differenz zulasten der Verbraucher nur deshalb, weil es die Beschaffungspreise unrealistisch niedrig ansetze. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) erklärte: „Die Preise legt die Energiewirtschaft fest.“ Heißt: Politik oder Kartellamt können oder wollen nur in den seltensten Fällen eingreifen.
Grüne: Erneuerbare Energien sind kein Preistreiber
Die Grünen wollen mit ihrem Gutachten auch die Schuldzuweisung an die Adresse der Erneuerbaren Energien relativieren. Denn Politiker aus FDP und Union, Wirtschaftsverbände und Verbraucherschützer beklagen die Förderung der erneuerbaren Energien (EEG-Umlage) als wesentlichen Grund für steigende Strompreise. Die Debatte wird dadurch angeheizt, dass die Umlage zur Finanzierung von Wind-, Solar- und Biomassestrom wieder angehoben werden muss. Heute macht der Beitrag der Privathaushalte für die Energiewende rechnerisch 3,59 Cent pro Kilowattstunde aus. Ab kommendem Jahr könnten es fünf Cent sein.
Wer Wind sät, wird Strom ernten
Die höhere Umlage kommt einerseits dadurch zustande, dass im Rahmen der Energiewende mehr Ökostrom-Kraftwerke an die Netze angeschlossen werden. Zudem müssen die Privatverbraucher die volle Umlage zahlen, während Großverbraucher zum guten Teil befreit sind, damit Jobs nicht gefährdet werden. Auch Umweltminister Altmaier trägt diese Regelung mit, um die „industrielle Basis in Deutschland zu schützen“. In diesem Jahr sind rund 1000 Unternehmen teils oder ganz von der Umlage befreit. Für 2013 haben 2000 Firmen Anträge gestellt.
Wer mit Kindern oder großem Haus 4000 Kilowattstunden verbraucht, würde fast 50 Euro mehr an EEG-Umlage im Jahr zahlen. Umweltminister Altmaier äußerte sich dazu nicht.