Essen.. Schlecker-Pleite und Lohn-Skandale wirken sich aus. Der Ruf der Branche sei „katastrophal“, sagt Rewe-Chef Alain Caparros. Handelsketten wie Real wollen dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Real-Personalchef Andreas Schrödinger zeigt Interesse an der Übernahme von früheren Schlecker-Mitarbeiterinnen.

Der Einzelhandel sorgt sich um sein Image. Die Schlecker-Pleite und Dumping-Lohn-Skandale schrecken Berufseinsteiger ab. Chefs großer Handelskonzerne zeigen sich selbstkritisch und wollen gegensteuern. „Wir als Handelsunternehmen haben einen ganz schlechten Ruf“, sagt Rewe-Vorstandschef Alain Caparros. „Das Image ist katastrophal.“

Es ist eine schonungslose Bestandsaufnahme, die Caparros vor Journalisten der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf vornimmt. Der Chef von Deutschlands zweitgrößtem Lebensmittelhändler will offenbar die eigene Branche wachrütteln. „Wir ernten, was wir gesät haben“, sagt er. Und: „Wir sind gezwungen, unser Image zu ändern.“ Ansonsten werde es Probleme geben, gute Mitarbeiter für die Kasse oder das Management zu finden.

Auch der Branchenriese Real will in die Offensive gehen, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Der Handel war noch nie so schlecht wie sein Image“, betont Real-Personalchef Andreas Schrödinger im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe. „Aber richtig ist auch: Wir müssen an unserem Ruf arbeiten. Der Wettbewerb um Fachkräfte für den Einzelhandel verschärft sich. Daher sollten wir schnell korrigieren, was wir in Sachen Image in der Vergangenheit versäumt haben.“

Schon jetzt sucht Real mitunter erfolglos nach geeigneten Mitarbeitern. „Wir können nicht mehr annähernd alle Stellen besetzen, die wir eigentlich besetzen wollen“, berichtet Schrödinger. Eine Konsequenz: „Die Zeiten, in denen wir nur Auszubildende mit einem ordentlichen Schulabschluss eingestellt haben, sind vorbei. Dass Bewerber engagiert und fleißig sind, ist mindestens genauso wichtig wie ein guter Schulabschluss.“

„Der Handel verkauft sich selbst schlecht“

Eigentlich sollten Händler ein ausgeprägtes Verkaufstalent besitzen. Doch ausgerechnet in eigener Sache sei dies nicht der Fall, konstatiert Thomas Roeb, Handelsexperte der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Der Handel verkauft sich selbst schlecht“, sagt er. „Auch so konnte der Eindruck entstehen, es handele sich um eine skandalgeplagte Branche, in der die Mitarbeiter bespitzelt und gegängelt werden. Die Realität sieht aber anders aus. Die Buchhaltung eines Schraubenherstellers zu machen, ist doch nicht attraktiver als Designer-Mode zu verkaufen.“

Die Supermarktkette Real umwirbt auch die früheren Mitarbeiter des insolventen Drogeriemarkts Schlecker. „Wer bei Schlecker gearbeitet hat, bringt in der Regel gute Voraussetzungen für einen Arbeitsplatz bei Real mit“, sagt Real-Manager Schrödinger. „An der einen oder anderen Stelle haben wir schon Schlecker-Frauen eingestellt.“ Grundsätzlich sei vielen Menschen nicht bewusst, wie schnell sie im Handel Karriere machen können, meint Schrödinger. Wer zupacke, steige oft rasch auf. „Ein junger Marktleiter beispielsweise übernimmt sehr schnell große Verantwortung. Wo sonst kann man mit Ende 20 eine Einheit mit 30 Millionen Euro Umsatz und 150 Mitarbeitern führen?“

Streitthema Mindestlohn

Voraussetzung für ein besseres Image im Einzelhandel seien tarifliche Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen, sagt Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi. „Niedriglöhne, Minijobs, Befristungen sowie Werkverträge müssen der Vergangenheit angehören.“ Dann werde ein Job im Handel wieder attraktiver. „Gerade große Unternehmen sollten nicht länger dulden, dass private Kaufleute unter ihrer Flagge Tarife unterlaufen und prekäre Arbeitsbedingungen schaffen.“

Ein heißes Eisen in der Branche ist das Thema Mindestlohn. Berichte über Stundenlöhne von fünf oder sechs Euro haben für Empörung gesorgt. Doch die Einführung eines Mindestlohns ist vorerst gescheitert. „Wir müssen die Leute vernünftig bezahlen“, mahnt Rewe-Chef Caparros. Er könne nicht begreifen, dass es ein „Fünf-Minuten-Akt“ sei, in Aufsichtsräten von Handelskonzernen Millionenverträge für Manager zu beschließen, und gleichzeitig werde überlegt, ob eine Kassiererin mehr als sieben Euro pro Stunde verdienen darf. „Das kann nicht funktionieren.“