Bochum.. Zwei bis drei der heutigen Opel-Standorte sieht der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel bedroht. Hintergrund sind Pläne des Mutterkonzerns GM im Osten. „Kein Werk ist sicher“, sagt er – und meint damit auch das Stammwerk Rüsselsheim.

Bislang schien es, als befinde sich allein das Bochumer Opel-Werk in einem Überlebenskampf. Doch nach Einschätzung des dortigen Betriebsratschefs Rainer Einenkel sind noch weitere europäische Standorte in Gefahr. Investitionspläne des amerikanischen Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) für Russland bringen demnach selbst das Stammwerk Rüsselsheim in Bedrängnis. „Für alle erhöht sich der Druck“, sagte Einenkel im Gespräch mit dieser Zeitung. „Mindestens zwei bis drei der heutigen Opel-Werke könnten gefährdet sein.“

Am Donnerstag soll Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke dem Aufsichtsrat erklären, wie er den angeschlagenen Autobauer in die Gewinnzone führen will. Ob er offiziell eine Schließung für das Bochumer Werk verkünden wird? Zweifel sind angebracht, denn das Werk im Ruhrgebiet wird von GM noch einige Zeit gebraucht und eine lange Diskussion über die Abwicklung des Werks schadet dem Image. Dass Arbeitnehmervertreter vor Tagen einen konkreten Schließungsplan für Bochum zu Gesicht bekommen haben, soll mancher Opel-Manager bereits als Fehler betrachten.

1500 neue Jobs in Russland

Die Lage ist so schon brenzlig genug. Schließlich hat die Opel-Führung erklärt, dass nach dem Ende der aktuellen Zafira-Produktion im Jahr 2016 kein neues Modell für den Standort Bochum vorgesehen ist. Während die Opelaner im Ruhrgebiet um den Erhalt ihrer Jobs bangen müssen, dürfen sich die Kollegen in Russland freuen. GM will die Produktion im Werk St. Petersburg und in einer Gemeinschaftsfabrik mit dem russischen Hersteller Avtovaz in der Wolga-Stadt Togliatti massiv ausweiten. Allein in St. Petersburg sollen 1500 neue Jobs entstehen. Der US-Konzern will die Produktionskapazitäten mehr als verdreifachen – auf 350 000 Autos pro Jahr. Zum Vergleich: Insgesamt wird Opel bis zum Jahresende vermutlich rund eine Million Autos bauen.

Mit den GM-Plänen für den Osten verschärft sich auch der Wettkampf der Opel-Werke im Westen. „Obwohl die bestehenden Opel-Werke nicht voll ausgelastet sind, werden weitere Überkapazitäten geschaffen“, sagt Rainer Einenkel und zieht das Fazit: „Kein Werk ist sicher.“ Selbst das Werk Rüsselsheim sieht er in Gefahr. „Stammwerk zu sein, heißt noch lange nicht, die Garantie zu haben, ständig eine hohe Auslastung zu haben.“ Weitere Standorte von Opel in Deutschland befinden sich in Eisenach und Kaiserslautern.

GM will in Russland auch das Opel-Modell Astra bauen. Die beiden weiteren Astra-Standorte sind Ellesmere Port in Großbritannien und Gliwice in Polen. „Damit sind die deutschen Werke außen vor“, erklärt Einenkel. „In Deutschland wird es keine Astra-Produktion mehr geben.“ Dabei habe Bochum „nachweisbar das produktivste Werk“, und das im Ruhrgebiet produzierte Modell Zafira sei „das einzige Opel-Fahrzeug mit hohen Marktzuwächsen“. Es wird damit gerechnet, dass sich auch der neue NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) für Opel in Bochum engagiert. Einenkel steht in Kontakt zum Ministerium. Ein erstes Gespräch auf Arbeitsebene ist für diesen Dienstag geplant.

Über „die Zeit nach Opel“ nachzudenken, das war in Bochum bislang so etwas wie eine Todsünde. Was wäre wenn? Schon die Frage galt als Tabu. Doch notgedrungen befasst man sich jetzt in der Revierstadt, in der „unabsteigbar“ nach wie vor ein geflügeltes Wort ist, mit Ausstiegsszenarien für das traditionsreiche Autowerk.

Teurer Schließungsplan

Eine Schließung könnte GM fast eine Milliarde Euro kosten, vermutet Einenkel. Einen Großteil des Geldes müsse der Konzern für einen Sozialplan und Abfindungen bereithalten. Auch Altlasten auf dem Opel-Gelände, wo sich früher eine Zeche befand, könnten für GM ein Problem werden. Einenkel warnt, GM drohe „die teuerste Werksschließung aller Zeiten“. „Die Schließung von Bochum wäre keine wirtschaftliche, sondern eine politische Entscheidung“, sagt er. „Nach der Schließung von Bochum wären weitere Schließungen einfacher zu machen. Kein Werk kann dann noch sicher sein.“