Berlin. . Bundestagspräsident Norbert Lammert nannte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch einen „Außerirdischen“, der gegen die Regeln guter Unternehmensführung verstoße. Weil der VW-Konzern eine freiwllige Selbstverpflichtung unterzeichnet habe, sich aber nicht daran halte.

Als geistreicher wie unterhaltsamer Redner wird Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) parteiübergreifend geschätzt. Doch mit seiner jüngsten Rede vor internationalem Wirtschaftspublikum in Berlin hat es sich der zweite Mann im Staat mit einem der mächtigsten Wirtschaftsführer der Republik gründlich verdorben: VW-Aufsichtsratsboss Ferdinand Piëch.

Ohne ihn direkt beim Namen zu nennen, hat Lammert Piëch fortgesetzte Verstöße gegen die Regeln guter Unternehmensführung vorgeworfen, auch mit Blick auf die zuletzt ungewöhnlich hohen Vorstandsgehälter bei Volkswagen: Piech verhalte sich wie ein „Außerirdischer“, für den solche Vorgaben nicht gelten, sagte Lammert und sparte nicht mit Beispielen.

Revanche aus der VW-Zentrale

Der VW-Patriarch war nicht unter den Zuhörern, aber die Kritik muss den Leitwolf des Weltkonzerns tief getroffen haben. Die Spitze des größten deutschen Autobauers ist von der Berliner Politik viel Verständnis gewöhnt, wenn es doch Kritik gibt, wird sie diskret erörtert.

So revanchierte sich die Wolfsburger Konzernzentrale gestern mit einer rabiaten Gegenattacke auf den Bundestagspräsidenten: Außerirdisch sei allein die fehlende Sachkenntnis von Lammert, sagte ein VW-Sprecher, in der Politik werde offenbar geredet, ohne sich vorher zu informieren. VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh erklärte, Lammert solle „mindestens das Gespräch suchen, bevor er seine Thesen in Berlin ans Tor nagelt“.

Das hatte die Deutsche Corporate Governance Kommission kaum erwartet, als sie zur Konferenz ins feine Kempinski Hotel Bristol in Berlin einlud. Die vom Bundesjustizministerium gegründete Kommission wollte mit 200 Gästen – Spitzenmanagern und Experten aus dem In- und Ausland – diskutieren, wie weit die vor zehn Jahren beschlossene freiwillige Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft zur guten Unternehmensführung gediehen sei.

Lob für die Selbstverpflichtung

Das war auch das Thema von Lammerts „Dinnerspeech“ am Mittwochabend: Der Präsident lobte die Selbstverpflichtung als Alternative zu gesetzlichen Regeln, listete aber mahnend Beispiele auf, wo aus seiner Sicht Unternehmen gegen die eigenen Vorgaben verstoßen - und nannte den „besonders großen deutschen Autokonzern“, gemeint war VW, dessen Aufseher sich über die Regeln für gute Unternehmensführung hinwegsetze.

Porsche-VW: Die Akteure

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat den Machtkampf verloren. Er muss seinen Posten aufgeben. Lange Zeit sah er wie der Sieger in dem Tauziehen aus. Doch er hatte offenbar seine zahlreichen Gegner unterschätzt.
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat den Machtkampf verloren. Er muss seinen Posten aufgeben. Lange Zeit sah er wie der Sieger in dem Tauziehen aus. Doch er hatte offenbar seine zahlreichen Gegner unterschätzt. © AP
2005 gelang Wiedeking ein Paukenschlag. Er kündigte den Einstieg bei VW an. Zunächst sprach Porsche von einem 19-Prozent-Anteil, doch nach und nach stockten die Stuttgarter ihre Anteile auf. Zum Schluss war von einer Komplettübernahme die Rede.
2005 gelang Wiedeking ein Paukenschlag. Er kündigte den Einstieg bei VW an. Zunächst sprach Porsche von einem 19-Prozent-Anteil, doch nach und nach stockten die Stuttgarter ihre Anteile auf. Zum Schluss war von einer Komplettübernahme die Rede. © ddp
Zusammen mit Finanzvorstand Holger Härter hatte Wiedeking die Übernahme an den Finanzmärkten geschickt eingefädelt.
Zusammen mit Finanzvorstand Holger Härter hatte Wiedeking die Übernahme an den Finanzmärkten geschickt eingefädelt.
Noch bis vor wenigen Wochen glaubte sich Wiedeking als Gewinner in dem Spiel: David schluckt Goliath. Doch er hatte einen unterschätzt:
Noch bis vor wenigen Wochen glaubte sich Wiedeking als Gewinner in dem Spiel: David schluckt Goliath. Doch er hatte einen unterschätzt: © ddp
Porsche-Miteigentümer und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech. Anfangs schien Piech sogar angetan von der Idee eines Porsche-Einstiegs bei VW. Doch die Stuttgarter wurden ihm zu stark. Schließlich wollte Piech selbst einen Autogiganten schmieden -und zwar unter seiner Führung.
Porsche-Miteigentümer und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech. Anfangs schien Piech sogar angetan von der Idee eines Porsche-Einstiegs bei VW. Doch die Stuttgarter wurden ihm zu stark. Schließlich wollte Piech selbst einen Autogiganten schmieden -und zwar unter seiner Führung. © AP
Der Machtkampf tobte auch auf Familienebene: Wolfgang Porsche, ein bekennender Wiedeking-Fan, ist der Machtwille seines Cousins Ferdinand Piech längst ein Dorn im Auge. Wopo, wie er genannt wird, gilt zwar als eher vorsichtiger Typ, unterstützte aber letztlich die Übernahme.
Der Machtkampf tobte auch auf Familienebene: Wolfgang Porsche, ein bekennender Wiedeking-Fan, ist der Machtwille seines Cousins Ferdinand Piech längst ein Dorn im Auge. Wopo, wie er genannt wird, gilt zwar als eher vorsichtiger Typ, unterstützte aber letztlich die Übernahme. © AP
Piech drehte den Spieß um, als Porsche sich mit der VW-Übernahme überhoben und einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatte. Nun also gehört Porsche bald zu Volkswagen.
Piech drehte den Spieß um, als Porsche sich mit der VW-Übernahme überhoben und einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatte. Nun also gehört Porsche bald zu Volkswagen. © AP
Einer der schärfsten Gegner dieses Plans ist Porsche-Betriebsrat Uwe Hück. Hück galt als wichtiger Verbündeter von Wiedeking, der die Arbeitnehmerschaft auf seiner Seite wusste.
Einer der schärfsten Gegner dieses Plans ist Porsche-Betriebsrat Uwe Hück. Hück galt als wichtiger Verbündeter von Wiedeking, der die Arbeitnehmerschaft auf seiner Seite wusste. © ddp
Doch auch VW konnte auf den Betriebsrat bauen. Betriebsratschef Bernd Osterloh (l.) hatte speziell Wiedeking als Feindbild ausgemacht und ihm vorgeworfen, die Arbeitnehmerrechte der VW-Truppe beschneiden zu wollen.
Doch auch VW konnte auf den Betriebsrat bauen. Betriebsratschef Bernd Osterloh (l.) hatte speziell Wiedeking als Feindbild ausgemacht und ihm vorgeworfen, die Arbeitnehmerrechte der VW-Truppe beschneiden zu wollen. © AP
Aber auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff torpedierte Wiedekings Pläne. Das VW-Gesetz sichert Niedersachsen eine Sperrminorität bei VW. Deshalb wollte Wiedeking das Gesetz zu Fall bringen. Doch damit machte er sich keine Freunde in Niedersachsen.
Aber auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff torpedierte Wiedekings Pläne. Das VW-Gesetz sichert Niedersachsen eine Sperrminorität bei VW. Deshalb wollte Wiedeking das Gesetz zu Fall bringen. Doch damit machte er sich keine Freunde in Niedersachsen. © AP
Wiedeking scheiterte denn auch mit seinem Plan, das VW-Gesetz zu kippen. Nicht zuletzt war es Wulff, gelungen, Bundeskanzlerin Merkel auf seine Seite zu ziehen. Die Bundesregierung sicherte Niedersachsen weiterhin den Einfluss bei VW zu.
Wiedeking scheiterte denn auch mit seinem Plan, das VW-Gesetz zu kippen. Nicht zuletzt war es Wulff, gelungen, Bundeskanzlerin Merkel auf seine Seite zu ziehen. Die Bundesregierung sicherte Niedersachsen weiterhin den Einfluss bei VW zu. © AP
Natürlich blieb auch das politische Gerangel nicht aus. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger musste sich rein von Amts wegen mit seinem Parteikollegen in Niedersachsen anlegen. Schließlich ging es darum, wo der Konzern seinen Hauptsitz haben wird.
Natürlich blieb auch das politische Gerangel nicht aus. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger musste sich rein von Amts wegen mit seinem Parteikollegen in Niedersachsen anlegen. Schließlich ging es darum, wo der Konzern seinen Hauptsitz haben wird. © AP
Einer der Gewinner einer Übernahme von Porsche ist VW-Chef Martin Winterkorn (l.). Seine Macht in dem um eine weitere Marke vergrößerten Konzern wird steigen.
Einer der Gewinner einer Übernahme von Porsche ist VW-Chef Martin Winterkorn (l.). Seine Macht in dem um eine weitere Marke vergrößerten Konzern wird steigen. © ddp
Mit all den Gegnern, die sich Wiedeking gemacht hat, war sein Abgang besiegelt. Der Porsche-Chef verlässt den Konzern. Sein Nachfolger wird Michael Macht, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG.
Mit all den Gegnern, die sich Wiedeking gemacht hat, war sein Abgang besiegelt. Der Porsche-Chef verlässt den Konzern. Sein Nachfolger wird Michael Macht, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG. © ddp
Der Emir von Katar, Scheich Hamid bin Khalifa Al-Thani, war Wiedekings letzte Hoffnung. Doch der Scheich steigt nicht direkt bei Porsche ein, wie es Wiedekings Plan war, sondern übernimmt VW-Optionen von Porsche. Damit wird das Emirat neuer Aktionär bei VW.
Der Emir von Katar, Scheich Hamid bin Khalifa Al-Thani, war Wiedekings letzte Hoffnung. Doch der Scheich steigt nicht direkt bei Porsche ein, wie es Wiedekings Plan war, sondern übernimmt VW-Optionen von Porsche. Damit wird das Emirat neuer Aktionär bei VW. © AP
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Lammert verwies auf die Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder, die der 75 Jahre alte Piëch überschreite, und er übte Kritik an der Berufung von Piëchs Ehefrau Ursula in den VW-Aufsichtsrat, die dort kein unabhängiges Mitglied sei – was mit den Empfehlungen des Corporate-Governance-Kodex zur Vertrauensstärkung nicht übereinstimme; wer den kantigen VW-Aufseher kennt, weiß, wie sehr Piëch dieser Vorwurf ärgern muss. Lammert, der auch nach dem Echo an seiner Kritik festhält, sagte gestern unserer Zeitung: „Wer Selbstverpflichtungen eingeht, muss sie auch einhalten, darum geht es mir.“

17 Millionen Euro für VW-Chef

Auch über Managergehälter äußerte er sich kritisch, manche Vorstandsvergütungen seien nicht mehr nachvollziehbar gestaltet. Die Leistungsdifferenzen in der Gesellschaft seien nicht so groß wie die Einkommensdifferenzen. Das zielt nicht allein auf Volkswagen, aber doch auch. Schließlich haben die Rekordbezüge von rund 17 Millionen Euro für VW-Vorstandschef Martin Winterkorn gerade erst eine heftige Debatte um Managergehälter ausgelöst.

Piëch, dessen Vergütung als Aufsichtsratschef von Volkswagen mit zuletzt 850 000 Euro auch eine Rekordhöhe erreicht, hatte Winterkorns Gehalt stets offensiv verteidigt. Die Berliner Konferenz machte deutlich, dass Lammert mit der Kritik nicht allein steht – solche Gehaltshöhen werden auch in der deutschen Wirtschaft teilweise kritisch gesehen. Kommissionschef Klaus-Peter Müller kündigte eine Debatte über Vorstandsvergütungen an. Er warnte, es gehe um Akzeptanz für die Wirtschaftsordnung: „Wir dürfen es nicht zur Vertrauenskrise kommen lassen.“

Lammert, der auch nach dem Echo unverändert an seiner Kritik festhält, sagte gestern unserer Zeitung: „Wer Selbstverpflichtungen eingeht, muss sie auch einhalten, darum geht es mir.“