Frankfurt. . Die Kursverluste zehren an der Börse die bisherigen Gewinne des gesamten Jahres auf. Das schürt neue Ängste. Viele geplante Börsengänge stehen bereits auf der Kippe.

Die Gewinne des gesamten Jahres sind mit einem Mal fast weg. Erstmals in diesem Jahr rutschte der Deutsche Aktienindex Dax am Montag unter die wichtige Marke von 6.000 Punkten und hielt sich nur zeitweise über dieser Schwelle. Bis auf 5.942 Zähler ging es nach unten, das war gerade noch ein Plus von knapp 50 Punkten oder 0,8 Prozent gegenüber dem Schlussstand von 2011. Und 1.200 Punkte oder mehr als 16 Prozent weniger als noch Mitte März als das Börsenbarometer auf mehr als 7.150 Punkte geklettert war.

Die Stimmung auf dem Börsenparkett ist in diesen Tagen mies. „Das Anlegersentiment ist mittlerweile sehr pessimistisch“, umschreibt Andreas Hürkamp von der Commerzbank in der Börsianersprache die Lage. „Die Angst der Anleger ist deutlich messbar“, ergänzt Manfred Hübner vom Analysehaus Sentix, das regelmäßig die Stimmung von Investoren misst. Sentix zufolge ist die Stimmung so schlecht wie seit einem Jahr nicht mehr. Es herrscht Tristesse an der Börse. Allein im Mai hat der Dax mehr als sieben Prozent verloren.

Notenbanker sollen Leitzins senken

„Zu einem Zeitpunkt, am dem bereits an vielen Stellen von Dax-Zielmarken von 8.000 Punkten und teilweise sogar deutlich darüber gesprochen wurde, bewahrheitete sich einmal mehr die alte Börsenweisheit ‚sell in May and go away’“, sagt Eugen Keller vom Bankhaus Metzler. Rund um den Globus sind die Börsenkurse in den letzten Wochen abgesackt. Damit löste sich allein im Mai Anlagekapital von 4.000 Milliarden Dollar in Luft auf, bei den 30 Dax-Werten waren es rund 45 Milliarden Euro.

Die Euro-Schuldenkrise und dabei vor allem die Lage in Griechenland und Spanien zehren an den Nerven von Anlegern, Börsianern, Bankern und Managern. „Zu den Sorgen um die Euro-Zone kommen nun zunehmend auch Sorgen um das Weltwirtschaftswachstum“, sagte Börsenhändler Markus Huber von ETX Capital am Montag. Jetzt starren die Experten erst einmal gespannt auf die Europäische Zentralbank (EZB), deren Rat am Mittwoch im Frankfurter Eurotower zu seiner turnusmäßigen Sitzung zusammenkommt. Die Forderungen von Volkswirten mehreren sich, dass die Notenbanker den Leitzins für die Eurozone erneut senken sollen, vom historisch ohnehin niedrigen Zins von 1,0 auf nur noch 0,75 Prozent.

Etliche Börsengänge auf der Kippe

Immer stärker schauen die Experten auf die Regierungen in der Eurozone. „Starke politische Antworten werden immer wichtiger, um die derzeit negativen Trends zu stoppen“, sagt Commerzbanker Hürkamp. Zumal jetzt auch wieder etliche geplante Börsengänge auf der Kippe stehen - so wie der eigentlich für Juni avisierte IPO von Evonik. Im derzeitigen Umfeld aber ist der angepeilte Emissionserlös von fünf Milliarden Euro kaum zu erzielen. Talanx, Rheinmetall mit seinem Autozulieferer KSPG oder Siemens mit Osram dürfen sich auch kaum animiert fühlen, jetzt die Aktien listen zu lassen.

Der Dax konnte gestern nur zwischenzeitlich die Marke von 6.000 Punkten überspringen. Die Furcht, dass es noch weiter runtergeht ist groß, die Rückkehr zu einem stabilen Aufwärtstrend ist derzeit mehr als unwahrscheinlich. Ralf Grönemeyer von Silvia Quandt Research will ein Niveau von 5.800 Punkten im Dax nicht ausschließen. Immerhin: Mit einem Sturz noch weiter runter rechnet er nicht. “Wir haben keine Panik.“

Ein paar Hoffnungsschimmer

Ein paar Hoffnungsschimmer gibt es gleichwohl. Die Bewertung der Dax-Firmen sei momentan günstig, heißt es bei der DZ Bank. Mutigen Anlegern bieten sich attraktive Kaufgelegenheiten. „Auf dem derzeitigen Niveau sind Aktien ein klarer Kauf“, sagt Markus Reinwand von der Helaba. Die Erholung komme im zweiten Halbjahr. Bei BNP Paribas dagegen hält man es angesichts der Risiken noch für zu früh, schon wieder Aktien zu kaufen.

Mit konkreten Prognosen für den Dax zum Jahresende lehnt sich derzeit kaum ein Experte aus dem Fenster. Dazu ist die Unsicherheit viel zu hoch. Voraussagen von 8.000 Punkten zum Jahresende, die es noch im März reihenweise gab, sind ohnehin Makulatur. Zu den wenigen, die noch eine Prognose wagen, gehört Reinwand. Allerdings hat seine Schätzung für den Dax zum Jahresende gerade reduziert - von 7.500 auf 7.000 Punkte. Das wäre freilich aus heutiger Sicht immer noch ein stolzes Plus von mehr als 16 Prozent. Zu den wenigen Wagemutigen gehören noch die Analysten der DZ Bank. Sie rechnen mit 6.600 Punkten Ende 2012. Auch diese Prognose erscheint mehr als sehr gewagt.