Dortmund. . Der Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Cem Özdemir, wirft Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler Versagen und Blockade bei der Energiewende vor. Merkel müsste nach Röttgen auch Rösler entlassen, meint der Grünen-Politiker.

Je länger die Energiewende in Deutschland im Stau steckt, desto mehr gerät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Erklärungsnot. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir vermisst mit Blick auf die Entlassung von Umweltminister Norbert Röttgen bei Merkel die logische Konsequenz im Handeln und legt ihr nahe, dann auch Philipp Rösler zu entlassen.

„Entweder die Kanzlerin hat Nobert Röttgen entlassen wegen der verlorenen Landtagswahl. Dann ist dies das Eingeständnis, dass die historische Wahlniederlage sehr wohl Auswirkungen auf das Kanzleramt hat. Oder Angela Merkel hat ihren Umweltminister entlassen, weil er bei der Energiewende versagt hat. Dann muss sie aber auch Philipp Rösler den Stuhl vor die Tür stellen, denn er hat als zuständiger Wirtschaftsminister nicht nur versagt, sondern blockiert aus ideologischen Gründen ganz bewusst den Umbau unserer Energieversorgung, wo immer er nur kann.“ Das erklärte Özdemir gegenüber der Westfälischen Rundschau.

Versorgerbranche fordert Energieministerium

Kritik am Vorgehen der Kanzlerin äußerte auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Hans-Joachim Reck. Der VKU vertritt zahlreiche Stadtwerke und regionale Energieversorger. „Im Rahmen der Energiewende müssen über 100 Einzelmaßnahmen aufeinander abgestimmt werden. Hierfür brauchen wir ein ordentliches Projektmanagement und ein kohärentes Vorgehen. Deshalb sehen wir auch für das Gelingen der Energiewende ein eigenes Energieministerium auch auf Bundesebene für dringend geboten. Die Bundeskanzlerin hätte dafür jetzt die Chance gehabt“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck gegenüber der WR. Nur genutzt habe sie die Chance nicht.

Merkel hat sich bislang darauf beschränkt, die Verantwortung für das drohende Scheitern der Klimaziele Norbert Röttgen in die Schuhe zu schieben.

Kein kritisches Wort über Rösler

Selten hat die Bundeskanzlerin in Sachen Energiewende so viel Entscheidungsfreude gezeigt, wie beim Rausschmiss von Röttgen aus ihrem Kabinett. Auf der anderen Seite kein kritisches Wort über Rösler. Dabei ließ der liberale Vizekanzler wie sein Minister-Vorgänger Rainer Brüderle kaum eine Gelegenheit aus, um die Verantwortlichkeit für die Energiewende für das Wirtschaftsministerium zu reklamieren.

Um Röttgens vermeintliches Versagen zu untermauern, wurde die im Bundesrat gescheiterte Kürzung der Solarförderung angeführt. Die gescheiterte Idee eines Gescheiterten? Tatsächlich hieß und heißt die Triebfeder für das chaotische Übernacht-Kürzungs-Szenario, das in Folge deutsche Hersteller von PV-Anlagen bis zu Insolvenzen in Nöte brachte, Philipp Rösler.

Der Bundeswirtschaftsminister wollte mit einer Deckelung der Förderung mit hohem Tempo noch mindestens einen Schritt weiter gehen. Röttgen bremste sogar zugunsten der Solarindustrie. Röslers Credo in diesem Punkt: Energie müsse für Unternehmen und Verbraucher bezahlbar bleiben, deshalb müssten die hohen Einspeisevergütungen für PV-Strom drastisch gebremst werden.

Im Gegensatz dazu kam aus seinem Ministerium am vergangenen Mittwoch der Vorschlag, die Folgekosten für den verpatzten Offshore-Netzausbau auf alle Stromkunden umzulegen. Mal hü, mal hott. Das ist die Politik, mit der weder Großkonzerne noch Stadtwerke etwas anfangen können. Es fehlen klare, zeitnahe Entscheidungen. Seit März haben Bundesumweltministerium und Röslers Wirtschaftsministerium ein Papier der „AG-Netzbeschleunigung Offshore“ auf dem Tisch. Ziel der Expertengruppe, an der unter anderem Windpark- und Netzbetreiber, Verbände und Vertreter aus den Ministerien beteiligt waren, ist es, schnell und pragmatisch die Kosten für den zentralen Baustein der Energiewende in den Griff zu bekommen, damit es mit Windkraft im Meer überhaupt weitergeht.

Für kommenden Mittwoch hat Merkel die 16 Ministerpräsidenten der Länder zum Energiegipfel nach Berlin gebeten. Neben Röttgen-Nachfolger Peter Altmaier dürfte auch Rösler weiter mit an der Energiewende herumdoktern. Mal sehen, wie lange noch. Platzt nicht bald der Knoten, endet vielleicht nicht nur die Energiewende in einer Sackgasse.