Hamburg/Kirkel. . Die angeschlagene Baumarktkette Praktiker macht bei der Sanierung eine Rolle rückwärts: Der Discounter unter den Baumärkten will zurück auf die Billigschiene. Ein neuer Investor und ein neuer Chef sollen frisches Geld und frischen Wind bringen.

Überraschende Wende beim Sanierungsplan der angeschlagenen Baumarktkette Praktiker: Der erst seit Oktober amtierende Vorstandschef Thomas Fox muss gehen, wie Praktiker im saarländischen Kirkel mitteilte. Sein Nachfolger ist Aufsichtsratsmitglied Kay Hafner.

Gleichzeitig beschloss der Aufsichtsrat eine Kehrtwende beim Sanierungskonzept: Eine „größere Anzahl“ der Praktiker-Märkte soll auf die teure Tochtermarke Max Bahr umgestellt werden. Die restlichen Praktiker-Märkte sollen wie früher einen aggressiven Billigkurs fahren. Der Kurs der Aktie legte am Montag gegen einen schwachen Markttrend um drei Prozent zu.

Marke Max Bahr soll ausgeweitet werden

Auch bei der Finanzierung des Sanierungsplans änderte der Aufsichtsrat die Marschrichtung. Fox hatte 300 Millionen Euro dafür veranschlagt. Jetzt soll es deutlich billiger abgehen: Ein Investor - offenbar der US-Finanzinvestor Anchorage - wolle 85 Millionen Euro zur Verfügung stellen, hieß es in einer Mitteilung des Aufsichtsrates. Außerdem sei eine Kapitalerhöhung geplant.

„Das neu justierte Geschäftsmodell stärkt das Erfolgsrezept von Max Bahr und schärft die Positionierung von Praktiker als Preis- und Kostenführer unter den deutschen Baumärkten“, erklärte Aufsichtsratschef Kersten von Schenck.

Kern des neuen Planes ist Umstellung zahlreicher Märkte auf die Marke Max Bahr, die Gewinn abwirft und deutlich höhere Preise als Praktiker durchsetzen kann. Bisher gibt es erst 76 Filialen von Max Bahr. Fox hatte solche Pläne abgelehnt. Nach seiner Ansicht ist es mit einer Umstellung der Marke nicht getan: Kern des Max Bahr-Erfolges sei die hohe Qualität der Beratung durch die Verkäufer. Fox zweifelte daran, dass diese Leistungen so übertragbar auf die Praktiker-Märkte sind.

Mit dem neuen Kurs setzten sich die Hauptaktionäre durch. „Wir wollen ein stärkeres Gewicht legen auf die Marke, die noch läuft“, sagte Isabella de Krassny von der österreichischen Privatbank Semper Constantia schon vor Tagen dem „Handelsblatt“. Die Investoren um die Wiener Bank halten einen Anteil von etwa 15 Prozent. Die Hauptaktionäre wollen den Umsatzanteil der Max-Bahr-Märkte auf mehr als 55 Prozent steigern.

Weiter tief in der Verlustzone

Praktiker hatte zuletzt Erfolge der Sanierung gemeldet: In Deutschland zieht der Umsatz an und der Personalabbau kommt voran. „Noch sind wir nicht über den Berg, aber die Talsohle dürfte hinter uns liegen“, sagte Fox vor drei Wochen bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das erste Quartal. Praktiker hatte 2011 rund eine halbe Milliarde Euro Verlust eingefahren: Rabattaktionen wie „20 Prozent auf alles“ hatten den Umsatz aufgebläht, aber den Gewinn verdampfen lassen. Fox stoppte die Aktionen.

Praktiker steckt weiterhin tief in den roten Zahlen. Im traditionell schwachen ersten Quartal weitete das Unternehmen Umsatzminus und Verluste aus. Der Umsatz fiel weltweit um 0,5 Prozent auf 663 Millionen Euro. Der Nettoverlust stieg kräftig auf 76 Millionen Euro.

Allerdings erhöhte sich der Umsatz im wichtigen Deutschland-Geschäft um fast vier Prozent auf 508 Millionen Euro. Zugleich baute Praktiker 1.000 Stellen ab. „Der positive Verlauf des Inlandsgeschäfts bestätigt uns in der Einschätzung, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagte Fox. Er wollte den Konzern bis 2014 wieder profitabel machen.

Die Premium-Tochter Max Bahr wuchs weiter kräftig: Der Umsatz stieg um sieben Prozent, außerdem wies Max Bahr einen leichten Gewinn aus.

Der Konzern zieht im Sommer mit der Zentrale vom saarländischen Kirkel nach Hamburg, ein Bürohaus wurde schon gefunden. Praktiker kündigte den Abbau von 1.400 Stellen an und will 30 der mehr als 300 Filialen schließen. (dapd/rtr)